Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Viel beschworener europäischer Geist entlarvt sich als Wunschvorstellung
Zum Artikel „ Europa nicht kaputtgehen lassen“( 30.3.): Wenn jetzt eine große Verunsicherung über die desolate Situation der EU eintritt, sollten sich doch bitte die dafür verantwortlichen Politiker selbst an die Nase fassen! Ohne Not wurden Fakten geschaffen, mit deren Folgen man sich noch lange wird beschäftigen müssen.
Warum nur wurden in relativ kurzem Zeitraum so viele soziokulturell und ökonomisch rückständige kleine Staaten in die Gemeinschaft aufgenommen und ein Schengener Abkommen kreiert, das uns zunehmende Kriminalität überwiegend aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks beschert? Wann wird endlich die Brüsseler Reglementierungsflut zumindest reduziert?
Der vielbeschworene europäische Geist entlarvt sich als Wunschvorstellung: Es gibt bei vielen Staaten ein klares Missverhältnis zwischen den Wünschen, Zuwendungen zu erhalten und andererseits dafür Pflichten zu übernehmen. Warum werden bei wichtigen Entscheidungen der EU nicht die Bevölkerungszahlen der Nationen berücksichtigt, längst überfällige Fragen, wie beispielsweise die Zeitumstellung, nicht endlich entschieden?
Eine Mindestvoraussetzung für die Schadensbegrenzung bzw. -behebung in der EU wäre eine Mitnahme der Bevölkerung bei möglichst vielen Entscheidungen und die weitgehende Kompetenzverlagerung hin zu den Nationalstaaten.
Tettnang Konsequenzen hätte: Eine (dienstliche, keineswegs private) Hass-Mail gegen eine grüne Kollegin – das ist noch weit schlimmer als der heimliche Bordellbesuch eines hohen Geistlichen oder Nacktaufnahmen einer unbescholtenen Kronprinzessin. Klaffen hier Anspruch und Wirklichkeit wieder einmal schroff auseinander?
Wir lieben zwar den Verrat, aber hassen den Verräter: Sicher hat der entlassene Ex-Mitarbeiter Kiesewetters massiv gegen das Briefgeheimnis verstoßen, indem er sich, aus welchen Motiven auch immer, mit der ausschließlich an ihn gerichteten vergifteten Botschaft an die meistgelesene deutsche Zeitung wandte, welche diese journalistisch unsauber, ohne Rücksprache mit dem zunächst angeblichen Verfasser, sofort auf der Titelseite herausposaunte.
Dass eben dies prinzipiell mit schriftlichen Äußerungen passieren kann, wissen wir freilich alle – erst recht ein mit allen Wassern gewaschener Berufspolitiker.
Zwar hat sich der verbale Amokläufer in aller Form entschuldigt und die schwer gekränkte Kollegin hat ihm seinen Fehltritt vielleicht ja halbwegs verziehen. Aber kann sie sich deswegen darauf verlassen, ab sofort mit dem nötigen Respekt und in Würde behandelt zu werden, nur weil die sich allmählich verziehenden Rauchwolken auf ein grün-schwarzes Koalitionsbündnis hindeuten?
Aalen
Liebe Leserinnen, liebe Leser,