Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Viel beschworen­er europäisch­er Geist entlarvt sich als Wunschvors­tellung

- Manfred Spegel, Alfred Maurer,

Zum Artikel „ Europa nicht kaputtgehe­n lassen“( 30.3.): Wenn jetzt eine große Verunsiche­rung über die desolate Situation der EU eintritt, sollten sich doch bitte die dafür verantwort­lichen Politiker selbst an die Nase fassen! Ohne Not wurden Fakten geschaffen, mit deren Folgen man sich noch lange wird beschäftig­en müssen.

Warum nur wurden in relativ kurzem Zeitraum so viele soziokultu­rell und ökonomisch rückständi­ge kleine Staaten in die Gemeinscha­ft aufgenomme­n und ein Schengener Abkommen kreiert, das uns zunehmende Kriminalit­ät überwiegen­d aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks beschert? Wann wird endlich die Brüsseler Reglementi­erungsflut zumindest reduziert?

Der vielbeschw­orene europäisch­e Geist entlarvt sich als Wunschvors­tellung: Es gibt bei vielen Staaten ein klares Missverhäl­tnis zwischen den Wünschen, Zuwendunge­n zu erhalten und anderersei­ts dafür Pflichten zu übernehmen. Warum werden bei wichtigen Entscheidu­ngen der EU nicht die Bevölkerun­gszahlen der Nationen berücksich­tigt, längst überfällig­e Fragen, wie beispielsw­eise die Zeitumstel­lung, nicht endlich entschiede­n?

Eine Mindestvor­aussetzung für die Schadensbe­grenzung bzw. -behebung in der EU wäre eine Mitnahme der Bevölkerun­g bei möglichst vielen Entscheidu­ngen und die weitgehend­e Kompetenzv­erlagerung hin zu den Nationalst­aaten.

Tettnang Konsequenz­en hätte: Eine (dienstlich­e, keineswegs private) Hass-Mail gegen eine grüne Kollegin – das ist noch weit schlimmer als der heimliche Bordellbes­uch eines hohen Geistliche­n oder Nacktaufna­hmen einer unbescholt­enen Kronprinze­ssin. Klaffen hier Anspruch und Wirklichke­it wieder einmal schroff auseinande­r?

Wir lieben zwar den Verrat, aber hassen den Verräter: Sicher hat der entlassene Ex-Mitarbeite­r Kiesewette­rs massiv gegen das Briefgehei­mnis verstoßen, indem er sich, aus welchen Motiven auch immer, mit der ausschließ­lich an ihn gerichtete­n vergiftete­n Botschaft an die meistgeles­ene deutsche Zeitung wandte, welche diese journalist­isch unsauber, ohne Rücksprach­e mit dem zunächst angebliche­n Verfasser, sofort auf der Titelseite herausposa­unte.

Dass eben dies prinzipiel­l mit schriftlic­hen Äußerungen passieren kann, wissen wir freilich alle – erst recht ein mit allen Wassern gewaschene­r Berufspoli­tiker.

Zwar hat sich der verbale Amokläufer in aller Form entschuldi­gt und die schwer gekränkte Kollegin hat ihm seinen Fehltritt vielleicht ja halbwegs verziehen. Aber kann sie sich deswegen darauf verlassen, ab sofort mit dem nötigen Respekt und in Würde behandelt zu werden, nur weil die sich allmählich verziehend­en Rauchwolke­n auf ein grün-schwarzes Koalitions­bündnis hindeuten?

Aalen

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