Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Versorger müssen Gas günstig einkaufen
Spielraum wird nach BGH-Urteil kleiner – Etappensieg für Ravensburger Gasrebellen
- Eine Gaskundin aus Baienfurt hat im jahrelangen Streit um Gaspreiserhöhungen einen Etappensieg errungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem neuen Urteil vom Mittwoch die Begründungspflichten der Gasversorger bei Preiserhöhungen erhöht. Die Unternehmen seien verpflichtet, „die eigenen Bezugskosten im Interesse ihrer Kunden niedrig zu halten und nach Möglichkeit die günstigste Beschaffungsalternative zu wählen“, entschied das Gericht in Karlsruhe.
Dem BGH-Urteil liegt ein Rechtsstreit aus Ravensburg zugrunde, das Urteil geht jedoch weit über den Einzelfall hinaus. Der regionale Gasversorger, die Technischen Werke Schussental (TWS), hatten – wie viele andere Versorger auch – in den Jahren 2005 bis 2007 die Tarife für Gas erhöht. Die Kundin hatte die Zahlung der Aufschläge verweigert, der Versorger verklagte sie deshalb. Es geht um insgesamt 2733 Euro.
KARLSRUHE
Landgericht Ravensburg muss nun detailliert Beweis erheben
Das Landgericht Ravensburg hatte den TWS Recht gegeben und die Frau zur Zahlung verurteilt. Denn die TWS hätten die Erhöhung mit eigenen gestiegenen Bezugskosten begründet. Das Argument der Kundin, die TWS seien selbst an Unternehmen der Vorliefertanten beteiligt und würden folglich selbst die Preise in die Höhe treiben, prüften die Ravensburger Richter nicht. Diese Detailprüfung sei nicht Aufgabe des Gerichts. Dieses Urteil hob der BGH aber am Mittwoch jedoch auf. Das Landgericht Ravensburg muss nun detailliert Beweis erheben, ob die TWS ihre eigenen Kosten möglichst niedrig gehalten hat.
Bei der Klage der Kundin handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Wie im Raum Ravensburg, gab es auch in anderen Städten Hunderte sogenannter „Gasrebellen“.
Auch der BGH ist mit dem Streit um Gaspreiserhöhungen schon mehrfach befasst gewesen. Das in Deutschland geltende Recht ver- pflichtete die Gasversorger lediglich dazu, Gaspreiserhöhungen rechtzeitig dem Kunden mitzuteilen und ihm ein Sonderkündigungsrecht einzuräumen.
Der BGH legte schließlich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg 2011 die Frage vor, ob das in Deutschland geltende Recht mit einer Europäischen Richtlinie von 2003 in Einklang stehe. Der EuGH verneinte das in einem Vorabentscheid von 2014. Die Erhöhung müsse transparent gemacht werden, der Kunde muss also die Begründung erfahren. Durch den EuGHEntscheid waren die alten Vertrags- klauseln für Preiserhöhungen gegenüber Tarifkunden unwirksam. Die Vertragsbedingungen sind inzwischen geändert. Der BGH erklärte 2015 aber, dass auch die Altverträge mit den ungültigen Klauseln nun ergänzend ausgelegt werden müssten. Die Gasversorger seien dennoch berechtigt, eigene Kostensteigerungen an den Kunden weiterzugeben.
Damit stellte sich aber die nächste Frage. Wer prüft, ob die Versorger wirklich Mehrkosten hatten oder ob sie – wie die Kundin in Ravensburg behauptet – selbst an Preisaufschlägen der Vorlieferanten mitverdienten? Der BGH entschied jetzt erst- mals, dass die Gerichte die Einhaltung einer niedrigen Kostenstruktur prüfen müssen. Die Gerichte können also nicht verlangen, dass der Kunde die höheren Kosten des Versorgers widerlegt.
Dem muss jetzt das Landgericht Ravensburg nachkommen. Ob die Kundin aus Baienfurt dann die 2733 Euro bezahlen muss oder nicht, ist jedoch weiter offen. Die TWS hatten bisher gesagt, dass die von ihr vorgelegten Zahlen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten werden. Darauf wird es nun ankommen (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof VIII ZR 71/10).