Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Dax-Dividenden fließen vor allem ins Ausland
Die eher börsenscheuen Deutschen lassen sich noch nicht von steigenden Dividenden an den Aktienmarkt locken
- Gute Zeiten für Dividendenjäger: Börsennotierte deutsche Unternehmen schütten in diesem Jahr insgesamt wieder Milliarden an ihre Aktionäre aus. Doch der Geldregen geht an vielen deutschen Anlegern vorbei. „Von den rund 30,1 Milliarden Euro, die die 30 größten deutschen AGs an ihre Anteilseigner ausschütten, landen im Durchschnitt über 19 Milliarden Euro nicht in den Portemonnaies deutscher Anleger“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler. Ausländischen Investoren gehörten 64 Prozent der Dax-Gesellschaften.
Insgesamt können sich die Anteilseigner von mehr als 600 börsennotierten Unternehmen in diesem Jahr über einen Geldregen von rund 42,3 Milliarden Euro freuen, wie aus Berechnungen der DSW in Zusammenarbeit mit der Research Plattform „DividendenAdel“und der privaten FOM Hochschule in Essen hervorgeht. Ob der Rekord des Vorjahres von 42,4 Milliarden Euro geknackt werden kann, hänge davon ab, wie stark Volkswagen die Dividende kappe. Der Dax-Konzern hatte wegen der Abgas-Affäre die Veröffentlichung seiner Bilanz auf Ende April verschoben.
Zwar wagen sich die eher börsenscheuen Deutschen angesichts von Niedrigzinsen für Sparbuch und Co. wieder stärker an den Aktienmarkt. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im vergangenen Jahr
FRANKFURT Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds. Das meiste Geld steckt laut Bundesbank aber nach wie vor in kurzfristigen Bankeinlagen sowie Versicherungen und Pensionseinrichtungen. Für die Aktionärsvertreter ist die Zurückhaltung nicht nachvollziehbar. Augenscheinlich hätten deutsche Anleger kein Vertrauen in unsere Wirtschaft, sagt Tüngler.
Als Einkommensquelle völlig unterschätzt
Für Werner Heussinger, Gründer der Research Plattform „Dividendenadel“, werden Dividenden als Einkommensquelle völlig unterschätzt: „Es gibt in Deutschland etliche Unternehmen, mit einer über Jahre stabilen Ausschüttungspolitik und stetig steigenden Dividenden – unabhängig vom Auf und Ab der Kurse anden Börsen.“Mit dem Niedergang der Sparzinsen würden die zinsaffinen deutschen Anleger über kurz oder lang aber nicht umhin kommen, sich mit dem Thema Dividenden und Unternehmensbeteiligungen auseinanderzusetzen.
Rekorddividenden gibt es in diesem Jahr vor allem in der zweiten und dritten Börsenliga. Gesellschaften im MDax schütten insgesamt 13,4 Prozent mehr aus als im Vorjahr. Den größten Sprung gibt es mit plus 24 Prozent im SDax; im TecDax sind es vier Prozent mehr.
Der Anstieg der Dividenden dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Kassen vieler Unternehmen prall gefüllt sind. Nach Berechnungen des Beratungsunternehmens EY verfügten allein die Dax-Konzerne Ende 2015 zusammengerechnet über 64,3 Milliarden Euro an Cash-Reserven. 24 von 29 Konzernen in der höchsten deutschen Börsenliga erhöhen die Ausschüttung. Den dicksten Scheck stellt der DSW zufolge mit 3,5 Milliarden Euro der Autobau- er Daimler aus, gefolgt von der Allianz (3,3 Milliarden) und Siemens (3,1 Milliarden). EY-Experte Martin Steinbach mahnt allerdings, die Unternehmen sollten angesichts der unsicheren Konjunkturentwicklung vor allem in den Schwellenländern und absehbar hoher Investitionen nicht übertreiben: „Zu hohe Ausschüttungen könnten ihre Handlungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit gefährden.“Die Aktionärsvertreter sind mit bescheideneren Dividenden einverstanden, wenn das Unternehmen Wachstum finanzieren muss. Grundsätzlich sollten aber rund 50 Prozent des Gewinns ausgeschüttet werden: „Schließlich gilt es, die Anteilseigner, die das Kapitalrisiko tragen, in angemessener Weise an dem Unternehmensgewinn zu beteiligen“, sagt Tüngler.
Doch nicht immer erweisen sich die Unternehmensanteile als Glücksgriff – selbst in der höchsten deutschen Börsenliga. So zählten fünf Dax-Konzerne der DSW zufolge 2015 zu den größten Kapitalvernichtern an den Börsen – neben Deutscher Bank und Commerzbank die Energiekonzerne RWE und Eon sowie der inzwischen nicht mehr im Dax vertretene Rohstoffkonzern K+S.
Für manche Aktionäre ist das doppelt bitter: So gehen die Anteilseigner der Deutschen Bank nach einem Rekordverlust des Instituts leer aus. RWE streicht nach roten Zahlen die Dividende für Stammaktionäre komplett, Vorzugsaktionäre erhalten eine Mini-Ausschüttung. „Die Dividende ist zwar ein wichtiges, aber nicht das alleinige Kriterium, nach dem eine Aktie beurteilt werden sollte“, betont Tüngler.