Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Dax-Dividenden fließen vor allem ins Ausland

Die eher börsensche­uen Deutschen lassen sich noch nicht von steigenden Dividenden an den Aktienmark­t locken

- Von Friederike Marx (dpa) und Andreas Knoch

- Gute Zeiten für Dividenden­jäger: Börsennoti­erte deutsche Unternehme­n schütten in diesem Jahr insgesamt wieder Milliarden an ihre Aktionäre aus. Doch der Geldregen geht an vielen deutschen Anlegern vorbei. „Von den rund 30,1 Milliarden Euro, die die 30 größten deutschen AGs an ihre Anteilseig­ner ausschütte­n, landen im Durchschni­tt über 19 Milliarden Euro nicht in den Portemonna­ies deutscher Anleger“, sagt der Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), Marc Tüngler. Ausländisc­hen Investoren gehörten 64 Prozent der Dax-Gesellscha­ften.

Insgesamt können sich die Anteilseig­ner von mehr als 600 börsennoti­erten Unternehme­n in diesem Jahr über einen Geldregen von rund 42,3 Milliarden Euro freuen, wie aus Berechnung­en der DSW in Zusammenar­beit mit der Research Plattform „Dividenden­Adel“und der privaten FOM Hochschule in Essen hervorgeht. Ob der Rekord des Vorjahres von 42,4 Milliarden Euro geknackt werden kann, hänge davon ab, wie stark Volkswagen die Dividende kappe. Der Dax-Konzern hatte wegen der Abgas-Affäre die Veröffentl­ichung seiner Bilanz auf Ende April verschoben.

Zwar wagen sich die eher börsensche­uen Deutschen angesichts von Niedrigzin­sen für Sparbuch und Co. wieder stärker an den Aktienmark­t. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninst­ituts im vergangene­n Jahr

FRANKFURT Aktien und/oder Anteile an Aktienfond­s. Das meiste Geld steckt laut Bundesbank aber nach wie vor in kurzfristi­gen Bankeinlag­en sowie Versicheru­ngen und Pensionsei­nrichtunge­n. Für die Aktionärsv­ertreter ist die Zurückhalt­ung nicht nachvollzi­ehbar. Augenschei­nlich hätten deutsche Anleger kein Vertrauen in unsere Wirtschaft, sagt Tüngler.

Als Einkommens­quelle völlig unterschät­zt

Für Werner Heussinger, Gründer der Research Plattform „Dividenden­adel“, werden Dividenden als Einkommens­quelle völlig unterschät­zt: „Es gibt in Deutschlan­d etliche Unternehme­n, mit einer über Jahre stabilen Ausschüttu­ngspolitik und stetig steigenden Dividenden – unabhängig vom Auf und Ab der Kurse anden Börsen.“Mit dem Niedergang der Sparzinsen würden die zinsaffine­n deutschen Anleger über kurz oder lang aber nicht umhin kommen, sich mit dem Thema Dividenden und Unternehme­nsbeteilig­ungen auseinande­rzusetzen.

Rekorddivi­denden gibt es in diesem Jahr vor allem in der zweiten und dritten Börsenliga. Gesellscha­ften im MDax schütten insgesamt 13,4 Prozent mehr aus als im Vorjahr. Den größten Sprung gibt es mit plus 24 Prozent im SDax; im TecDax sind es vier Prozent mehr.

Der Anstieg der Dividenden dürfte auch damit zusammenhä­ngen, dass die Kassen vieler Unternehme­n prall gefüllt sind. Nach Berechnung­en des Beratungsu­nternehmen­s EY verfügten allein die Dax-Konzerne Ende 2015 zusammenge­rechnet über 64,3 Milliarden Euro an Cash-Reserven. 24 von 29 Konzernen in der höchsten deutschen Börsenliga erhöhen die Ausschüttu­ng. Den dicksten Scheck stellt der DSW zufolge mit 3,5 Milliarden Euro der Autobau- er Daimler aus, gefolgt von der Allianz (3,3 Milliarden) und Siemens (3,1 Milliarden). EY-Experte Martin Steinbach mahnt allerdings, die Unternehme­n sollten angesichts der unsicheren Konjunktur­entwicklun­g vor allem in den Schwellenl­ändern und absehbar hoher Investitio­nen nicht übertreibe­n: „Zu hohe Ausschüttu­ngen könnten ihre Handlungsf­ähigkeit und Zukunftsfä­higkeit gefährden.“Die Aktionärsv­ertreter sind mit bescheiden­eren Dividenden einverstan­den, wenn das Unternehme­n Wachstum finanziere­n muss. Grundsätzl­ich sollten aber rund 50 Prozent des Gewinns ausgeschüt­tet werden: „Schließlic­h gilt es, die Anteilseig­ner, die das Kapitalris­iko tragen, in angemessen­er Weise an dem Unternehme­nsgewinn zu beteiligen“, sagt Tüngler.

Doch nicht immer erweisen sich die Unternehme­nsanteile als Glücksgrif­f – selbst in der höchsten deutschen Börsenliga. So zählten fünf Dax-Konzerne der DSW zufolge 2015 zu den größten Kapitalver­nichtern an den Börsen – neben Deutscher Bank und Commerzban­k die Energiekon­zerne RWE und Eon sowie der inzwischen nicht mehr im Dax vertretene Rohstoffko­nzern K+S.

Für manche Aktionäre ist das doppelt bitter: So gehen die Anteilseig­ner der Deutschen Bank nach einem Rekordverl­ust des Instituts leer aus. RWE streicht nach roten Zahlen die Dividende für Stammaktio­näre komplett, Vorzugsakt­ionäre erhalten eine Mini-Ausschüttu­ng. „Die Dividende ist zwar ein wichtiges, aber nicht das alleinige Kriterium, nach dem eine Aktie beurteilt werden sollte“, betont Tüngler.

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FOTO: DPA Die Aktionäre deutscher Aktiengese­llschaften können 2016 mit Dividenden von über 40 Milliarden Euro rechnen.

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