Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Beschuldigter leidet an psychischen Störungen
Landgericht Kempten verhandelt Brandstiftung am Berliner Platz in Lindau vom Sommer 2015 – Noch kein Urteil
(jule) - Fast wäre es vergangenen Juli zu einer Gasexplosion gekommen: Bei einem Kellerbrand am Berliner Platz in Lindau strömte auch Gas aus. Die Lindauer Polizei hatte einen Mann festgenommen, den Feuerwehrmänner schwerverletzt im Haus gefunden hatten. Vor dem Landgericht Kempten ist gegen den Beschuldigten am Dienstag ein Verfahren wegen schwerer Brandstiftung eröffnet worden.
Es ist vor allem die Frage nach dem Warum, die Besitzer und Mieter des Wohn- und Geschäftshauses in der Rickenbacher Straße beschäftigt: Warum steigt jemand in ein fremdes Gebäude ein, legt dort im Keller Feuer, beschädigt eine Gasleitung und bringt dadurch Menschen in Gefahr,
LINDAU/KEMPTEN zu denen er augenscheinlich überhaupt keinen Bezug hat?
Während der Verhandlung vor Kemptens Landgericht wurde schnell klar: Ganz werden sich die Hintergründe der Brandstiftung wohl nie aufklären lassen. Denn der Beschuldigte war zum Zeitpunkt der Tat laut Gutachter Robert Steinhuber psychisch schwer krank: „Er leidet an Verfolgungswahn und an Schizophrenie. Als er den Brand im Keller des Hauses gelegt hat, war sein Zustand verrückt – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“
Der Verdächtige selbst, der seinem Strafregister zufolge wohl viele Jahre im Bodenseekreis gelebt hat, machte keine Angaben zur Tat. Durch die Vernehmung von Polizis- ten, Feuerwehrleuten, der Hausbesitzerin, Mietern und Gutachtern konnte Richter Gunther Schatz den Hergang aber weitgehend rekonstruieren: Der 55-jährige Mann war wohl schon am Abend vor der Tat nach Lindau gekommen. Dort meldete er sich zunächst bei den Schleierfahndern und gab an, im Internet gemobbt zu werden. Außerdem hätten ihn Gäste an einem Imbiss bedroht. „Ich hatte damals den Eindruck, die Hitze mache ihm zu schaffen. Er hat sehr sprunghaft erzählt“, sagte ein Polizist vor Gericht.
Der Mann habe noch etwas von Windkraftanlagen auf dem Pfänder geredet, dann habe er die Polizeibeamten gebeten, ihn zu verhaften. Weil aber nichts gegen den Mann vorlag, habe die Lindauer Polizei ihn schließlich wieder weggeschickt.
Mieterin lässt Brandstifter unwissentlich ins Haus
Der Beschuldigte ist dann wahrscheinlich mit dem Bus zum Berliner Platz gefahren und hat bei einer Mieterin in der Rickenbacher Straße 1 geklingelt. „Als ich an der Sprechanlage nichts gehört habe, habe ich einfach aufgemacht. Ich dachte, es sei mein Mann“, sagte die Frau. Das sei gegen 21.30 Uhr gewesen.
Bis zur Brandstiftung am nächsten Morgen hat sich der Tatverdächtige dann wohl im Dach- oder im Kellergeschoss versteckt. Gegen 7 Uhr soll er Benzin als Brandbeschleuniger benutzt haben, um im Keller Feu- er zu legen. Mit einem Feuerlöscher hat er laut Gutachten wahrscheinlich so lange auf die Gaszähler geschlagen, bis in einer Leitung ein Leck entstand, aus dem Gas austreten konnte. Ein Feuerwehrmann fand den mutmaßlichen Brandstifter zufällig, als er nach der Evakuierung des Hauses die Dichtung eines Lüfters prüfen wollte. Der Mann lag auf der Treppe.