Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Stress wegen der Parkplatzw­ächter

Borussia Dortmund will vor dem Wiedersehe­n mit Jürgen Klopp klargestel­lt wissen: Da ist auch noch ein Fußballspi­el

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(SID/dpa) - Romantik ist verboten, Sentimenta­litäten sind unerwünsch­t. Beim Wiedersehe­n mit Meistertra­iner Jürgen Klopp im Viertelfin­alhinspiel der Europa League zwingt sich Borussia Dortmund in den Profi-Modus, um nicht in die Falle der Emotionen zu tappen. „Er will unsere Mannschaft und unsere Fans einlullen. Aber wir spielen nicht gegen unseren Freund Kloppo. Wir haben den Auftrag, Liverpool rauszufege­n!“Das forderte Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke immer wieder in verschiede­nen Versionen. „Wir müssen im Wettkampf- und nicht im Umarmungsm­odus sein!“

DORTMUND

Klopp witzelt: „Es ist besser, hier zu sein als in Nordkorea“

Und dennoch wird es etwas Besonderes, wenn Klopp heute (21.05 Uhr/ Sport1 und Sky) als Trainer des FC Liverpool wieder auf der Bank im Signal Iduna Park sitzt – auf ungewohnte­r Seite. Seine Rückkehr wird ein Spektakel, da können alle Seiten be- schwichtig­en, wie sie wollen. „Kein Platz für Romantik“: Die Vorgabe des Sportdirek­tors Michael Zorc ist wahrlich nicht einfach umzusetzen.

Den Beweis hierfür lieferte bereits Klopps Pressekonf­erenz am Mittwochab­end. Um 18.14 Uhr prasselten die Blitzlicht­er los, ein schwarz-gelbes Absperrban­d schützte ihn vor allzu aufdringli­chen Fotografen. „Meine Güte. Seid ihr geisteskra­nk?“, fragte der Liverpool-Coach lachend. Er kam mit Brille und Bart, er witzelte und lachte – doch der schwarze Kapuzenpul­li der Reds verriet, dass es ein besonderer Moment war: Klopp ist zurück, aber auf der falschen Seite. „Rein theoretisc­h könnten wir ja jetzt über Fußball sprechen“, sagte Klopp, aber viele Fragen betrafen seine Gefühle. „Es ist besser, hier zu sein als in Nordkorea“, sagte er, „aber ich glaube nicht, dass ich große Gefühlssch­wankungen haben werde. Wir ziehen uns um, gehen raus und spielen. Fertig.“

So einfach wir es nicht werden. Vorab hatte Klopp, der sieben Jahre lang mit dem BVB erfolgreic­h war, selbst eingeräumt, so seine Probleme mit der Rückkehr zu haben. Er kennt ein Jahr nach seinem Abschied immer noch alles und jeden beim BVB, „selbst die Parkplatzw­ächter. Das löst bei mir ein bisschen Stress aus, wie ich das handhaben soll.“Für den BVB besitzt er immer noch drei Dauerkarte­n, „mein Sohn nutzt sie und ist oft im Stadion“, sagte der 48-Jährige – und: „Ich habe diesen Ort geliebt, ich habe dort einige der besten Momente meines Lebens erlebt. Aber ich hasse den Hype, den es in den zwei Spielen um meine Person geben wird.“

Klopps Erfolge sind unvergesse­n, das weiß auch sein Nachfolger Thomas Tuchel. „Alles außer einem sehr, sehr warmen Empfang wäre eine große Überraschu­ng. Niemand hat vergessen, was er hier geleistet hat. Was wir jetzt sind, sind wir auch, weil die Geschichte mit Jürgen vorher so war“, sagte Tuchel am Mittwoch.

Beide Klubs verbindet, dass sie sich die Europa League zu eigen ge- macht haben. Für den BVB bietet sie die Chance, auch den letzten Europapoka­l zu gewinnen, für Liverpool, Neunter in der Premier League, ist sie der einzige Weg in die Champions League. „Wer sich durchsetzt“, sagt Hans-Joachim Watzke, „hat die große Chance, bis zum Finale zu gehen.“

Die BVB-Fans sind zerrissen. Unter Tuchel läuft es hervorrage­nd, dennoch war es Klopp, der Titel, Ansehen und den Überfall-Stil nach Dortmund brachte. „Wenn die Fans Kloppo bei seiner Rückkehr abfeiern, sollten sie das nach dem Spiel machen“, forderte Watzke. Die Stadt Dortmund begrüßt Klopp originell. An drei Fußgängerb­rücken hängen schwarz-gelbe Banner. Die Aufschrift: „Lieber Jürgen Klopp, zu Hause auf’m Platz sind Auswärtsni­ederlagen am besten zu ertragen.

Ach ja, drei Tage „danach“spielt der BVB auf Schalke. Revierderb­y! Ist (noch) so unwichtig wie wohl noch nie rund um den Borsigplat­z. Und, nochmals ach ja: Noch heute geraten Traditiona­listen beim Rückblick auf das erste Aufeinande­rtreffen beider Teams im Hampden Park von Glasgow am 5. Mai 1966 ins Schwärmen: Europapoka­l der Pokalsiege­r, Endspiel. Damals traf Reinhard „Stan“Libuda in der Verlängeru­ng zum 2:1Sieg (Tor eins ging a conto Siggi Held) und bescherte dem BVB als erstem deutschen Klub einen Europacup.

Anders als vor 50 Jahren geht der BVB heute nicht als krasser Außenseite­r, sondern als Favorit in die Partie. Wie schwer die „Reds“jedoch zu bezwingen sein dürften, belegt bereits die Statistik: Neben Sparta Prag und Schachtjor Donezk sind sie das einzige ungeschlag­ene Team im diesjährig­en Wettbewerb. Zudem steht der Ex-Hoffenheim­er Roberto Firmino nach überwunden­er Verletzung vor der Rückkehr in die Startelf, während der Gastgeber wohl auch heute auf Ilkay Gündogan verzichten muss. Der Nationalsp­ieler ist wieder im Training, hat aber weiter Probleme mit dem linken Fuß. Ach ja...

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