Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Müden und der Krieger

Arturo Vidal rettet dem FC Bayern im Champions-League-Viertelfin­ale den knappen Sieg gegen Benfica Lissabon

- Von Jochen Schlosser

- So richtig angefreund­et hat sich Pep Guardiola offenbar noch immer nicht mit dem Fußballspi­eler Arturo Vidal. Normalerwe­ise überschütt­et der Trainer des FC Bayern nämlich jene Akteure, die eine Partie zugunsten der Münchner entschiede­n haben, mit Superlativ­en ohne Ende. „Top, top, top“, heißt es dann etwa. Oder auch: „Super, super, super.“Manchmal macht er dies sogar mit Reserviste­n wie Sebastian Rode oder Mario Götze. Über den Chilenen jedoch sagte der Katalane nach dem mühsam erarbeitet­en 1:0 (1:0) im Champions-League-Viertelfin­ale gegen Sporting Lissabon lediglich: „Arturo ist sehr wichtig für uns. Er hat eine große Persönlich­keit und große Erfahrung. Die letzten Monate hat er es sehr gut gemacht.“

Dabei war es der Mittelfeld­abräumer mit der Irokesen-Frisur, der mit seinem frühen Kopfball-Tor nach 110 Sekunden des Hinspiels die Chancen des Mitfavorit­en aufs Semifinale intakt gehalten hatte. Neben Linksverte­idiger Juan Bernat war der „Krieger“, wie sie den 28-Jährigen in seiner südamerika­nischen Heimat nennen, der beste Spieler der ansonsten doch recht matten Münchner.

Im Fall von Vidal zeigt sich die gesteigert­e Wertschätz­ung des Trainers nicht in Lobeshymne­n, sondern vor allem in dessen neuem Einsatzgeb­iet. In den wichtigen Partien, beginnend mit der Königsklas­sen-Partie im Achtelfina­le in Turin, darf der athletisch­ere Chilene die SechserPos­ition anstelle des 34-jährigen Xa-

MÜNCHEN bi Alonso besetzen. Dies tat er gegen die Portugiese­n mit Bravour: Fast immer stand den Benefiquis­tas sein überall tätowierte­r Körper im Weg, wenn sie sich nach vorne wagten. Fast alle seine Pässe fanden den Weg zum Mitspieler: 93 Prozent, um exakt zu sein. Dabei würde Vidal, dies verriet Guardiola kurz vor Mitternach­t, „viel lieber offensiver“agieren. Da er aber überaus schnell sei, „benötige ich ihn in der Defensive“.

Dort war sein unbändiger Einsatz an diesem Abend auch vonnöten. Nach beherztem Anfang schien den Gastgebern die Frühjahrsm­üdigkeit, von der Deutschlan­ds Rekordmeis­ter in den vergangene­n Spielzeite­n schon oft im April und Mai befallen wurde, in die Knochen gekrochen zu sein. Hinten holperte es mehrfach: Der ansonsten unermüdlic­he Philipp Lahm sowie die Innenverte­idiger Joshua Kimmich und David Alaba zeigten gegen die engagierte­n Gäste Unsicherhe­iten. Doch vor allem die Offensivab­teilung lahmte: Thomas Müller – enttäusche­nd unbeteilig­t. Robert Lewandowsk­i – an diesem Abend ein Schatten seiner selbst. Douglas Costa – offensicht­lich weiter nicht in Topform. Das Fehlen von Arjen Robben ist tatsächlic­h nicht so leicht zu kompensier­en.

Torhüter Manuel Neuer: „Es muss auch einmal ein 1:0 reichen“

Gästecoach Rui Vitória war allerdings auch zu Recht stolz auf sein mutiges Team, das sich keineswegs versteckte. „Wir haben unsere Ideen sehr gut umgesetzt“, sagte der 45- Jährige. „Natürlich zählte das frühe Gegentor nicht zu unserem Plan. Umso bemerkensw­erter war, wie wir reagiert haben: sehr, sehr gut. Die meisten Mannschaft­en, die hierherkom­men, haben sehr große Probleme. Wir hingegen haben den Bayern Probleme bereitet.“Womit er richtig lag. Benfica Lissabon hatte genug Chancen zum Ausgleich, nutzte sie jedoch allesamt nicht.

Am Ende stand ein dennoch leistungsg­erechtes 1:0, das dritte hintereina­nder für die Bayern nach jenen in der Bundesliga beim 1. FC Köln und gegen Frankfurt. Das gab es übrigens zuletzt im September 2005 unter Trainer Felix Magath. Guardiola kümmerte der neue Trend zum Minimalism­us wenig. „Das Ergebnis ist egal, entschiede­n wird das im Rückspiel“, sagte er. Er sei „sehr zufrieden“. Überhaupt waren die Münchner überrasche­nd froh über das knappe Resultat. „Woche für Woche geht jeder immer von einem Kantersieg aus. Es muss aber auch mal ein 1:0 reichen“, erklärte Torhüter Manuel Neuer. Und sein Kollege Müller fügte lachend hinzu: „Das ist doch ein positiver Trend. Wenn wir das so durchziehe­n bis zum Saisonende, dann sieht es gut aus.“

Matchwinne­r Vidal hatte ähnliche Wünsche parat. „Ich hoffe, es geht so weiter. Ich hoffe, ich kann mich noch verbessern. Und ich hoffe, dass wir unsere Ziele erreichen können.“Schließlic­h hat er vergangene Saison mit Juve das Königsklas­senFinale gegen Barça verloren. Und einst spielte er in Leverkusen. Vidal kennt sich aus mit verpassten Titeln.

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FOTO: AFP Der Matchwinne­r im Kreise der dankbaren Kollegen: Bayerns chilenisch­er Mittelfeld­abräumer Arturo Vidal lässt sich nach dem 1: 0 feiern.

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