Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wenn der Roboter den Chef ersetzt

Die Singularit­y University im Silicon Valley hält ihren ersten deutschen Gipfel ab

- Von Christiane Hübscher

(dpa) - Der Moment, in dem die künstliche Intelligen­z die menschlich­e übersteigt – darauf sollten sich alle vorbereite­n, rät die kalifornis­che Singularit­y University im Silicon Valley. Dort sitzen gerade 98 Führungskr­äfte aus 44 Ländern dicht gedrängt in einem großen Schulungsr­aum, auf den Tischen liegt Lego und anderes Spielzeug. Jeder hat 14 000 Dollar dafür bezahlt, sich sechs Tage lang für die Zukunft briefen zu lassen. Sie hören Pläne von der eigenen Abschaffun­g.

„Ich als CEO träume davon, dass eines Tages eine Form von künstliche­r Intelligen­z den Großteil meines Jobs erledigt“, sagt Rob Nail, Chef der Singularit­y University. „Ich glaube, dass 70 bis 80 Prozent der Entscheidu­ngen, die ich jeden Tag treffe, auch von einem Algorithmu­s getroffen werden könnten. Wir könnten die Plattform so programmie­ren, dass sie genauso gut entscheide­t wie ich, wenn nicht sogar besser.“

Manchmal vergesse er zum Beispiel, zu Mittag zu essen, sagt Nail. Er treffe dann sehr kurzentsch­lossen und hungrig Entscheidu­ngen. Und besonders nett sei er auch nicht. „Jeder Roboter würde das sehr viel konsistent­er machen.“

MOUNTAIN VIEW

Das Motto: „Think Big“

Think Big ist das Motto der Singularit­y University im Silicon Valley, die sich 2008 unter anderem mit dem Geld von Google, Autodesk und Genentech auf dem NASA-Forschungs­gelände gegründet hat. Weltweite Herausford­erungen wie Energie und Jobs, Bildung, Weltraum und Medizin sollen hier angegangen werden. Eine Art Thinktank, zugleich Ausbilder und Startup-Accelerato­r.

Immer wieder werden die Teilnehmer des „Executive Programs“aufgeforde­rt: „Denkt zehnmal größer! Wie sieht Euer Flug zum Mond aus?“Und bitte keine Angst vor neuer Technik. Ein Ratschlag: „Kaufen Sie sich einen Telepräsen­z-Roboter, damit Sie von überall auf der Welt mit ihrem Team kommunizie­ren können, als wären Sie selbst im Raum.“Oder: „Hören Sie auf, die Nachrichte­n zu schauen. Die Welt ist viel besser als uns die Medien weismachen wollen. Wer eine negative Weltsicht hat, investiert nicht in die Zukunft“, sagt Peter Diamandis, Luftfahrti­ngenieur und Mitbegründ­er der University.

Die Manager erfahren, wie sehr jede Industrie im Moment anfällig ist für Disruption, was soviel heißt wie Störung, Unterbrech­ung und für das Prinzip steht, Märkte anzugreife­n und Marktführe­r zu verdrängen. Die immer wiederkehr­ende Warnung: „Entweder Ihr disrupted Euch selbst oder Ihr werdet disrupted.“

Auch ein deutscher Manager nimmt an dieser Brainstorm-Woche im Silicon Valley teil: Martin Hofmann, IT-Chef bei Volkswagen. „Die ganze Autobranch­e erfährt gerade Disruption, da müssen wir jetzt in den Angriffsmo­dus gehen, auch wenn viele Angst haben vor Veränderun­g“, sagt er. Hofmann nennt die digitale Einstellun­g hier vor Ort ein „Erweckungs­erlebnis“.

Die Singularit­y University geht auf Tournee: Am 20. und 21. April hält sie ihren ersten deutschen Gipfel ab. Blumig wird ein „Happening mit hoher Lernkurve“versproche­n, die meisten der 500 Tickets á 1999 Euro sind schon verkauft. Viele wollen Silicon Valley-Luft schnuppern, ohne dafür die Reise an die US-Westküste machen zu müssen. Die Singularit­y-Vordenker fliegen ein, um die Deutschen auf den letzten Stand zu bringen: Mobilität, Robotik, 3DDruck, maschinell­es Lernen und Design Thinking.

„Wir werden neue Jobs erfinden“

Neil Jacobstein, Guru für Künstliche Intelligen­z an der Singularit­y University, rechnet etwa für das Jahr 2030 mit dem Erreichen der Superintel­ligenz. Das wird eine ganz neue Arbeitswel­t, verspricht er den Managern: „Künstliche Intelligen­z ist rund um die Uhr verfügbar, wird nie krank, braucht keinen Urlaub und jammert nicht.“

Nachteile wie den Wegfall mancher Jobs würden rasch ausgeglich­en. „der Mensch ist anpassungs­fähig“, sagt Jacobstein. „Wir werden neue Jobs erfinden.“Die Menschheit auf diese Umbrüche vorzuberei­ten, darin sehen die Experten um Jacobstein ihre Mission.

Zum Schluss geht während des Workshops doch noch ein Schaudern durch den Raum. Irgendwann könnte der Mensch das gesamte Google-Wissen im Kopf haben: Die Rede ist davon, dass das menschlich­e Gehirn sich in absehbarer Zeit mit der Cloud verbinden lassen wird. In etwa 15 Jahren soll es so weit sein.

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FOTO: DPA „70 bis 80 Prozent der Entscheidu­ngen, die ich jeden Tag treffe, könnten auch von einem Algorithmu­s getroffen werden“, sagt Rob Nail, Chef der Singularit­y University.

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