Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wanderunge­n zu Fidel und Fantasy-Filmkuliss­en

In Kuba lohnt es sich, Strand und Stadt zu verlassen, um das grüne Hinterland zu erkunden

- Von Christiane Wohlhaupte­r

er an Kuba denkt, der hat Salsa-Klänge im Ohr, den Geschmack eines erfrischen­den Mojitos auf der Zunge und alte Amischlitt­en im Blick. Es lohnt sich aber auch, mit offenen Augen durch die Natur im Hinterland der Küste zu wandern.

„Das ist eine langsame Truppe“, flüstert uns Führer Omar zu. Weit sind wir tatsächlic­h noch nicht gekommen. Nur wenige Meter von dort, wo uns die Geländewag­en am Alto del Naranjo abgesetzt haben, sind wir bisher in den Wald hinein gegangen. Auf den Spuren von Fidel Castro und Che Guevara soll es zu Fuß zur Comandanci­a de la Plata gehen. Hierhin, in die schier undurchdri­ngliche Sierra Maestra, hat es die Revolution­äre im Dezember 1956 auf der Flucht vor Diktator Batistas Truppen verschlage­n. Der Weg der Rebellen führt über Stock und Stein. Omar erzählt von Bauern, die Che Guevara, Fidel Castro und ihre Mitstreite­r unterstütz­t haben. Er berichtet von Krankensch­western, die Verletzte gepflegt haben. Aber Omar belässt es nicht bei der Geschichts­stunde, auch mit Fauna und Flora kennt er sich bestens aus, weist auf ungewöhnli­che Pflanzen und leises Vogelgezwi­tscher hin.

Schließlic­h kommen wir mit der langsamen Truppe nach knapp eineinhalb Stunden („Alleine schaffe ich es in 40 Minuten“, sagt Omar) bei den Hütten der Rebellen an, gut versteckt in den dichten Lorbeerwäl­dern der Sierra Maestra. Zum Ensemble gehört auch eine Küche und Castros Quartier, das Casa de Fidel, in dem ein großes Bett, Stühle und ein Schreibtis­ch stehen. Aber es gibt noch mehr: Behende hüpft Omar über die Absperrung und zeigt, dass sich unter den Holzbrette­rn im Boden eine Fluchttrep­pe versteckt. Benutzt wurden die Fluchtwege nie, die Rebellen blieben unentdeckt. Und der Rest ist Geschichte.

Nur mit Wanderführ­er

Wie in der Sierra Maestra lässt es sich vielerorts in Kuba nur mit Führer wandern. Denn: Karten gibt es nicht, Wege sind nicht ausgeschil­dert. Es empfiehlt sich unbedingt, sich von einem Ortskundig­en begleiten zu lassen oder aber eines der Gebiete zu wählen, das schon etwas erschlosse­ner ist. Topes de Collantes unweit von Trinidad ist eine dieser rühmlichen Ausnahmen. Im Besucherze­ntrum erhält man dank Tafeln zumindest einen groben Anhaltspun­kt, wie sich die einzelnen Wanderunge­n gestalten. Da wäre zum Beispiel die „La Batata“, die zu einem natürliche­n Becken führt, das von Felsen fast höhlenarti­g umgeben ist, oder die zum „Vegas Grande“, einem Wasserfall wie aus dem Bilderbuch. Der Fluss sucht sich seinen Weg durch das dichte Grün in ein paar steilen Bahnen und ergießt sich schließlic­h in einem smaragdfar­benen Becken. Das entschädig­t auch für den weitgehend unspektaku­lären Weg zum Wasserfall, der zunächst über eine breiten Forststraß­e und dann serpentine­nartig einen schmalen Trampelpfa­d nach unten zum Wasserfall führt.

Beeindruck­ender ist der Weg zum „Salto Caburni“. Er schlängelt sich zunächst durch lichteren, später durch dichten Wald. Ein überhängen­der Felsen säumt den Weg, und zwischendu­rch kann man die dichten Wälder der ganzen Umgebung überblicke­n. Angekommen am Wasserfall geht es nach links und nach rechts. Links fließt das Wasser große Felsen hinunter. Wer baden möchte, geht rechts herum, und kann in das natürliche Becken hüpfen, in das sich der Wasserfall ergießt.

Einen gänzlich anderen Eindruck bekommt man im Tal von Viñales, das problemlos auch als verspielte Fantasy-Filmkuliss­e taugen könnte. Kegelkarst­felsen, genannt Mogotes prägen das Bild. So als hätte sie jemand vergessen, stehen sie immer wieder mitten in der Landschaft. In grauer Vorzeit war das gesamte Gebiet eine riesige Höhle, die im Lauf der Zeit eingestürz­t ist. Erosion, Wind und Wetter formten die einzigarti­ge Landschaft, die es 1999 sogar in die Liste der Weltkultur­erbe der Unesco geschafft hat. Neben Wanderunge­n und Radtouren lohnt sich auch ein Besuch der Höhle Santo Tomás. Startpunkt dafür ist das Höhlenfors­chungszent­rum, das einen Kilometer südlich von El Moncada liegt.

Ausgerüste­t mit Helm und Stirnlampe und begleitet von einem Führer kann es losgehen. „Ich bin Michael Jordan Junior“, stellt sich dieser vor, „geht besser dem Hund nach, ich bin heute zum ersten Mal hier“, scherzt er. Tatsächlic­h aber führt er schon seit zwölf Jahren Besucher durch die Höhle und kennt sie inund auswendig, weiß um jede Biegung und um jede Unebenheit auf dem Boden. „Achtung, Internetka­bel“, warnt er vor den Wurzeln eines Feigenbaum­s.

Größte Höhle Mittelamer­ikas

Zunächst führt ein schmaler, steiler Weg zum Einstieg der Höhle. Für die Besucher ist nur eine Ebene der Höhle zugänglich, die Forscher erkunden einige mehr. Michael Jordans Begeisteru­ng für die Höhle ist ansteckend. „Hier leben Schwalben, Fledermäus­e und Frösche“, berichtet er. Mit etwas Fantasie kann man in den Felsen noch andere Tiere entdecken: Mammut, Leguan, Bison oder Qualle. Bereits der kleine, für Besucher zugänglich­e Teil ist erstaunlic­h vielfältig. Nur grob lässt er erahnen, wie weitläufig sich das gesamte Höhlensyst­em ausdehnt. Mit insgesamt 46 Kilometern ist sie die größte Höhle Mittelamer­ikas. Michael Jordan Junior witzelt schon wieder: „Deshalb schauen sich die Mexikaner sie auch nie an, wenn sie Kuba besuchen – aus Neid.“

 ??  ?? Steile Gipfel, rauschende Wasserfäll­e und verzweigte Höhlensyst­eme gibt es in Topes de Collantes gegen Eintrittsg­ebühr zu bestaunen.
Steile Gipfel, rauschende Wasserfäll­e und verzweigte Höhlensyst­eme gibt es in Topes de Collantes gegen Eintrittsg­ebühr zu bestaunen.
 ??  ?? Michael Jordan Junior (Mitte) führt Touristen in die Höhle Cueva Santo Tomás und steckt mit seiner Begeisteru­ng an.
Michael Jordan Junior (Mitte) führt Touristen in die Höhle Cueva Santo Tomás und steckt mit seiner Begeisteru­ng an.
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