Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wanderungen zu Fidel und Fantasy-Filmkulissen
In Kuba lohnt es sich, Strand und Stadt zu verlassen, um das grüne Hinterland zu erkunden
er an Kuba denkt, der hat Salsa-Klänge im Ohr, den Geschmack eines erfrischenden Mojitos auf der Zunge und alte Amischlitten im Blick. Es lohnt sich aber auch, mit offenen Augen durch die Natur im Hinterland der Küste zu wandern.
„Das ist eine langsame Truppe“, flüstert uns Führer Omar zu. Weit sind wir tatsächlich noch nicht gekommen. Nur wenige Meter von dort, wo uns die Geländewagen am Alto del Naranjo abgesetzt haben, sind wir bisher in den Wald hinein gegangen. Auf den Spuren von Fidel Castro und Che Guevara soll es zu Fuß zur Comandancia de la Plata gehen. Hierhin, in die schier undurchdringliche Sierra Maestra, hat es die Revolutionäre im Dezember 1956 auf der Flucht vor Diktator Batistas Truppen verschlagen. Der Weg der Rebellen führt über Stock und Stein. Omar erzählt von Bauern, die Che Guevara, Fidel Castro und ihre Mitstreiter unterstützt haben. Er berichtet von Krankenschwestern, die Verletzte gepflegt haben. Aber Omar belässt es nicht bei der Geschichtsstunde, auch mit Fauna und Flora kennt er sich bestens aus, weist auf ungewöhnliche Pflanzen und leises Vogelgezwitscher hin.
Schließlich kommen wir mit der langsamen Truppe nach knapp eineinhalb Stunden („Alleine schaffe ich es in 40 Minuten“, sagt Omar) bei den Hütten der Rebellen an, gut versteckt in den dichten Lorbeerwäldern der Sierra Maestra. Zum Ensemble gehört auch eine Küche und Castros Quartier, das Casa de Fidel, in dem ein großes Bett, Stühle und ein Schreibtisch stehen. Aber es gibt noch mehr: Behende hüpft Omar über die Absperrung und zeigt, dass sich unter den Holzbrettern im Boden eine Fluchttreppe versteckt. Benutzt wurden die Fluchtwege nie, die Rebellen blieben unentdeckt. Und der Rest ist Geschichte.
Nur mit Wanderführer
Wie in der Sierra Maestra lässt es sich vielerorts in Kuba nur mit Führer wandern. Denn: Karten gibt es nicht, Wege sind nicht ausgeschildert. Es empfiehlt sich unbedingt, sich von einem Ortskundigen begleiten zu lassen oder aber eines der Gebiete zu wählen, das schon etwas erschlossener ist. Topes de Collantes unweit von Trinidad ist eine dieser rühmlichen Ausnahmen. Im Besucherzentrum erhält man dank Tafeln zumindest einen groben Anhaltspunkt, wie sich die einzelnen Wanderungen gestalten. Da wäre zum Beispiel die „La Batata“, die zu einem natürlichen Becken führt, das von Felsen fast höhlenartig umgeben ist, oder die zum „Vegas Grande“, einem Wasserfall wie aus dem Bilderbuch. Der Fluss sucht sich seinen Weg durch das dichte Grün in ein paar steilen Bahnen und ergießt sich schließlich in einem smaragdfarbenen Becken. Das entschädigt auch für den weitgehend unspektakulären Weg zum Wasserfall, der zunächst über eine breiten Forststraße und dann serpentinenartig einen schmalen Trampelpfad nach unten zum Wasserfall führt.
Beeindruckender ist der Weg zum „Salto Caburni“. Er schlängelt sich zunächst durch lichteren, später durch dichten Wald. Ein überhängender Felsen säumt den Weg, und zwischendurch kann man die dichten Wälder der ganzen Umgebung überblicken. Angekommen am Wasserfall geht es nach links und nach rechts. Links fließt das Wasser große Felsen hinunter. Wer baden möchte, geht rechts herum, und kann in das natürliche Becken hüpfen, in das sich der Wasserfall ergießt.
Einen gänzlich anderen Eindruck bekommt man im Tal von Viñales, das problemlos auch als verspielte Fantasy-Filmkulisse taugen könnte. Kegelkarstfelsen, genannt Mogotes prägen das Bild. So als hätte sie jemand vergessen, stehen sie immer wieder mitten in der Landschaft. In grauer Vorzeit war das gesamte Gebiet eine riesige Höhle, die im Lauf der Zeit eingestürzt ist. Erosion, Wind und Wetter formten die einzigartige Landschaft, die es 1999 sogar in die Liste der Weltkulturerbe der Unesco geschafft hat. Neben Wanderungen und Radtouren lohnt sich auch ein Besuch der Höhle Santo Tomás. Startpunkt dafür ist das Höhlenforschungszentrum, das einen Kilometer südlich von El Moncada liegt.
Ausgerüstet mit Helm und Stirnlampe und begleitet von einem Führer kann es losgehen. „Ich bin Michael Jordan Junior“, stellt sich dieser vor, „geht besser dem Hund nach, ich bin heute zum ersten Mal hier“, scherzt er. Tatsächlich aber führt er schon seit zwölf Jahren Besucher durch die Höhle und kennt sie inund auswendig, weiß um jede Biegung und um jede Unebenheit auf dem Boden. „Achtung, Internetkabel“, warnt er vor den Wurzeln eines Feigenbaums.
Größte Höhle Mittelamerikas
Zunächst führt ein schmaler, steiler Weg zum Einstieg der Höhle. Für die Besucher ist nur eine Ebene der Höhle zugänglich, die Forscher erkunden einige mehr. Michael Jordans Begeisterung für die Höhle ist ansteckend. „Hier leben Schwalben, Fledermäuse und Frösche“, berichtet er. Mit etwas Fantasie kann man in den Felsen noch andere Tiere entdecken: Mammut, Leguan, Bison oder Qualle. Bereits der kleine, für Besucher zugängliche Teil ist erstaunlich vielfältig. Nur grob lässt er erahnen, wie weitläufig sich das gesamte Höhlensystem ausdehnt. Mit insgesamt 46 Kilometern ist sie die größte Höhle Mittelamerikas. Michael Jordan Junior witzelt schon wieder: „Deshalb schauen sich die Mexikaner sie auch nie an, wenn sie Kuba besuchen – aus Neid.“