Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Shoppingto­ur auf fremde Rechnung

Identitäts­diebstahl bedeutet für Betroffene viel Ärger – Trotzdem ist Panik fehl am Platze

- Von Tobias Hanraths

(dpa) - Sichere Passwörter wählen, Phishing-Mails ignorieren, Virenscann­er installier­en. Sicherheit­stipps wie diese gibt es oft und ständig. Doch warum eigentlich? Warum muss man sich solche Mühe machen, Daten und Konten abzusicher­n? Die simple Antwort: unter anderem, um den sogenannte­n Identitäts­diebstahl zu verhindern.

So nennen Experten es, wenn Diebe fremde Identitäte­n und Daten missbrauch­en, um etwa Beleidigun­gen zu verschicke­n, die Freunde ihrer Opfer um Geld zu bitten oder – die häufigste Variante – im Internet einkaufen zu gehen. Dabei lassen sie natürlich nur die Ware zu sich schicken, die Rechnung erhält der Bestohlene. Großartig anstrengen müssen sich Täter dafür oftmals nicht, warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI): Bei vielen Shops reichten schon Name und Geburtsdat­um für eine Bestellung aus – in Zeiten sozialer Netzwerke oft leicht verfügbare Daten.

Noch mehr Schaden kann entstehen, wenn Kriminelle weitere Informatio­nen bis hin zu Konto- oder Kreditkart­ennummern in die Hände bekommen. An solche Daten kommen Identitäts­diebe auf zwei Wegen, erklärt Prof. Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam: „Einmal über den Massendieb­stahl, bei dem Hacker sich Zugang zur Datenbank eines Servicebet­reibers verschaffe­n und zahlreiche Identitäte­n auf einmal erbeuten“, so der Experte. „Die zweite Möglichkei­t besteht daraus, den einzelnen Nutzer gezielt anzugehen, zum Beispiel mit Phishing-Mails.“

Gegen die erste Methode kann sich der einzelne Verbrauche­r kaum wehren – gegen die Konsequenz­en aber schon. „Viele Nutzer machen sich nicht bewusst, was sie mit ihrem Passwort eigentlich schützen“, so Meinel. „Denn oft geht es nicht nur um die unmittelba­ren Inhalte eines Accounts, oft können Angreifer sich mit den Informatio­nen auch Zugang zu anderen Diensten verschaffe­n.“

POTSDAM

So können Kriminelle selbst mit scheinbar harmlosen Daten bei Shops und Diensten Accounts anlegen und ein erbeutetes Passwort bei anderen Nutzerkont­en des Opfers durchprobi­eren. Und Kriminelle mit Zugriff auf ein E-Mail-Konto können darüber bei vielen Diensten das Passwort zurücksetz­en lassen und sich so Zugriff verschaffe­n.

Mit individuel­len Passwörter­n und Datenspars­amkeit vorbeugen ist deshalb Pflicht. Denn auf die Anbieter allein ist kein Verlass: So hat das HPI schon über 230 Millionen Nutzerdate­nsätze gesammelt, die Hacker abgegriffe­n und veröffentl­icht haben. „Für uns besonders erschrecke­nd ist, wie viele Firmen mit den Daten ihrer Nutzer unprofessi­onell sorglos umgehen“, sagt Meinel. Passwörter sollten die Anbieter zum Beispiel eigentlich immer nur verschlüss­elt speichern, erklärt der Experte. „Gut ein Drittel der geleakten Identitäts­daten enthalten aber die Passwörter unverschle­iert und bei einem weiteren Drittel wurden zur Verschleie­rung veraltete kryptograf­ische Methoden genutzt.“

Vor individuel­lem Identitäts­diebstahl können sich Nutzer selbst besser schützen. Virenscann­er bekämpfen zum Beispiel sogenannte Keylogger, die Zugangsdat­en abgreifen. Gegen Phishing-Mails helfen Vorsicht und gesunder Menschenve­rstand. Und Passwörter sollten nicht nur individuel­l, sondern auch sicher sein. Das bedeutet laut BSI: Mindestens zwölf Zeichen inklusive Zahlen und Sonderzeic­hen, keine Begriffe aus Wörterbüch­ern – und auch keine Namen.

Doch was, wenn das alles nichts hilft? „Gefährlich ist Identitäts­diebstahl, weil er oft erst später auffällt“, sagt Christoph Meinel. Bis Mahnungen für nicht bezahlte Rechnungen auftauchen, kann zum Beispiel einige Zeit vergehen. Und auch zwischen Kauf und Kreditkart­enabrechnu­ng liegen oft ein paar Wochen.

Im schlimmste­n Fall ist es darum umso wichtiger, schnell zu handeln. Nicht nur, um die Kontrolle über geknackte Accounts zurückzube­kommen, zum Beispiel mit einem neuen Passwort und dem Sperren der Kreditkart­e. „Entscheide­nd ist vor allem, Strafanzei­ge zu erstatten“, rät Rechtsanwa­lt Thomas Feil aus Hannover. „Denn häufig ist es bei Identitäts­diebstahl sehr schwer, herauszufi­nden, was überhaupt passiert ist.“Bei der Anzeige erstellt die Polizei aber eine sogenannte Ermittlung­sakte, die wertvolle Informatio­nen enthält. Falsche Einträge auf Kreditkart­enrechnung­en lassen sich anschließe­nd zurückbuch­en, Einkäufen können Betroffene beim Händler widersprec­hen.

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FOTO: DPA Mit individuel­len, starken Passwörter­n macht man es Hackern schwerer, an persönlich­e Daten zu kommen.

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