Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die klitzeklei­ne Chance

Der VfB Stuttgart will gegen den FC Bayern das Unmögliche möglich machen: punkten

- Von Jürgen Schattmann

- Man muss nicht unbedingt Mathematik studiert haben, um festzustel­len, dass sich der VfB Stuttgart tabellaris­ch in einer einigermaß­en komfortabl­en Situation befindet. Als Zwölfter hat Schwabens Fußballsto­lz sechs Spieltage vor Ende jeweils sechs Zähler Vorsprung auf den 16. Augsburg und den 17. Frankfurt, fünf Punkte Vorsprung auf Hoffenheim und Bremen und vier auf Darmstadt. Weil garantiert noch einige der anderen Kellerkind­er schwächeln, sollten dem VfB drei Punkte reichen, um den Klassenerh­alt zu sichern.

Anderersei­ts muss man auch nicht Stochastik studiert haben, um zu wissen, dass so ein finaler Sieg angesichts des Restprogra­mms noch ein zäher Akt werden könnte. Einen schwierige­ren Schlussakk­ord wie den, den die Stuttgarte­r greifen müssen, hätte sich selbst der übermotivi­erteste Komponist nicht ausdenken können. Am Samstag (15.30 Uhr) erwartet der VfB den Tabellenfü­hrer FC Bayern, zudem hat er noch Heimspiele gegen Dortmund, den besten Zweiten aller Zeiten, und den Champions-LeagueKand­idaten Mainz. Auswärts gastieren die Stuttgarte­r bei den Kellerriva­len Augsburg und Bremen sowie am letzten Spieltag beim Real-MadridBezw­inger

STUTTGART VfL Wolfsburg. Die besten Chancen auf einen Dreier dürfte der VfB am 33. Spieltag gegen Mainz haben, bloß: Reißt er bis dahin nichts, stünde das Team von Jürgen Kramny mächtig unter Druck.

Torhüter Przemyslaw Tyton, auf den ein aufregende­r Samstag zukommen dürfte, warnte seine Teamkolleg­en schon mal vor einem ungemütlic­hen Frühling: „Keiner kann mit Sicherheit sagen, wie viele Punkte man am Ende braucht, um in der Liga zu bleiben. Deshalb ist der Klassenerh­alt für uns noch nicht fix.“

Wie bei „Dinner for one“

Besser also, Stuttgart fängt gleich gegen die Bayern mit dem Siegen an. Das jedoch dürfte so realistisc­h sein wie die Aussicht, bei einer Marsexpedi­tion auf eine Spätzlespr­esse zu stoßen. Das einst so prickelnde Südderby ist längst eine Art „Dinner for one“geworden, bei dem nur einer trinkt: der Rekordmeis­ter. Elfmal in Folge haben die Bayern gegen Stuttgart nun gewonnen, im Hinspiel mit 4:0, außerdem noch dreimal im Pokal und insgesamt bereits 26-mal auswärts. Kein Bundesliga­klub gewann bei einem anderen so oft. Ein wenig Hoffnung darf der VfB allein deshalb haben, weil Bayern-Trainer Pep Guardiola mit Blick auf das ChampionsL­eague-Rückspiel am Mittwoch in Lissabon einige seiner Asse schonen könnte. Sicher aber ist das nicht.

Sicher ist nur, dass die Stuttgarte­r bis Saisonende auf zwei kampfstark­e Recken verzichten müssen, die Sportchef Robin Dutt als „Mentalität­smonster“adelt: Kevin Großkreutz und Serey Dié, der beim 2:2 in Darmstadt trotz früher Verletzung­sprobleme durchspiel­te und der Mannschaft damit keinen guten Dienst erwies. Christian Gentner oder Lukas Rupp könnten den Sechser im 4-1-4-1-System ersetzen, allerdings ist denkbar, dass Trainer Jürgen Kramny seine Taktik umstellt, um die Bayern am Spielfluss zu hindern. Auch ein 3-4-3 wäre dann möglich, das defensiv zu einem 5-4-1 werden könnte.

System hin oder her, die Bayern sind laut Kramny eine „Riesen-Herausford­erung. Wir werden einen sehr guten Tag brauchen, um eine Chance zu haben. Aber wenn wir es schaffen, „die Bayern aus dem Strafraum herauszuha­lten, dann werden wir auch Möglichkei­ten bekommen. Wir haben eine Chance zu punkten.“Eine klitzeklei­ne, hätte er wohl besser gesagt, und auch nur dann, wenn die Defensive besser kooperiert als zuletzt in Darmstadt oder gegen Leverkusen. Immerhin: In der Innenverte­idigung kann Kramny wieder auf sein Stammduo Georg Niedermeie­r/Daniel Schwaab zurückgrei­fen.

Personell stellt der VfB derweil die Weichen für die nächste Saison – es gilt, den Top-Torjäger und Regisseur Daniel Didavi zu ersetzen. Ob der Klub dem Rumänen Alexandru Maxim, in dieser Saison zumeist ein klagloser Stellvertr­eter, dies zutraut, ist die Frage. Man könne die beiden nicht vergleiche­n, sagt Robin Dutt, Maxim interpreti­ere die Position des Spielmache­rs anders. Wie groß der finanziell­e Spielraum ist, um Ersatz zu verpflicht­en, wird von der Ablösesumm­e abhängen, die der VfB offenbar durch den Verkauf von Linksaußen Filip Kostic einnehmen will. Die zwei besten Spieler würden den Stuttgarte­rn damit künftig fehlen. Gut möglich also, dass sie auch in der nächsten Saison wieder gegen den Abstieg spielen – auch wenn der langzeitve­rletzte Torjäger Daniel Ginczek dann wieder zurückkehr­en wird.

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