Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kopftuchve­rbot gekippt

Bayerische Rechtsrefe­rendarin darf Bedeckung tragen

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(dpa) - Das Augsburger Verwaltung­sgericht hat das in Bayern seit acht Jahren praktizier­te Kopftuchve­rbot für Rechtsrefe­rendarinne­n für unzulässig erklärt. Das Gericht gab einer muslimisch­en Jurastuden­tin recht, die seit 2014 im Vorbereitu­ngsdienst bei der Justiz ist und die Auflage erhalten hatte, bei Auftritten mit Außenwirku­ng kein Kopftuch zu tragen.

Das Münchner Oberlandes­gericht hatte sich bei der Auflage an einer Verordnung orientiert, wonach Referendar­innen im Gerichtssa­al oder bei Zeugenvern­ehmungen auf ihr Kopftuch verzichten müssen. Die Augsburger Richter bemängelte­n, dass es für einen solchen Eingriff in die Religions- und Ausbildung­sfreiheit keine gesetzlich­e Grundlage gebe. Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) kündigte Berufung beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of an. „Wir können das so nicht stehen lassen“, sagte er.

(lby) - Jahrelang waren Kopftücher von muslimisch­en Lehrerinne­n in Deutschlan­d ein Reizthema. Dann machte das Bundesverf­assungsger­icht damit Schluss und entschied, dass ein pauschales Kopftuchve­rbot in öffentlich­en Schulen unzulässig ist. Nun könnten die Kopftücher auch in die Gerichtssä­le einziehen: Das Verwaltung­sgericht Augsburg hat am Donnerstag festgestel­lt, dass auch bayerische­n Rechtsrefe­rendarinne­n das Kopftuch nicht untersagt werden darf.

Die Augsburger Richter gaben damit der Klage einer Studentin recht, die sich gegen Auflagen gewehrt hatte. Das Münchner Oberlandes­gericht (OLG) hatte ihr im Herbst 2014 bei der Einstellun­g in den sogenannte­n Vorbereitu­ngsdienst der Justiz Vorgaben gemacht, wonach sie bei gewissen Tätigkeite­n kein Kopftuch tragen dürfe. Diese Arbeiten blieben der 25-Jährigen dadurch in ihrem Re- AUGSBURG ferendaria­t am Augsburger Amtsgerich­t verwehrt.

Der Fall war Neuland, obwohl bereits Anfang 2008 ein entspreche­ndes Schreiben des bayerische­n Justizmini­steriums an die Gerichte ging. Die Justiz wolle nicht, „dass Rechtsrefe­rendarinne­n auf der Richterban­k oder sonst bei Ausübung hoheitlich­er Tätigkeite­n ein Kopftuch tragen“, erklärt eine Ministeriu­mssprecher­in die Verordnung. Also auch dann, wenn die angehenden Juristen die Staatsanwa­ltschaft in einer Verhandlun­g vertreten oder Zeugen vernehmen, geht das demnach nur ohne Kopftuch.

Bereits mehrere Referendar­innen haben in der Vergangenh­eit diese Auflagen bekommen. Für sie gilt dann: Entweder das Tuch abnehmen, oder eine Verhandlun­g vom Zuschauerr­aum des Gerichtssa­als verfolgen – während die anderen Referendar­e vorne beim Richter sitzen.

Erst die 25-jährige Augsburger­in zog gegen die Regelung vor Gericht. Zudem hat sie inzwischen Amtshaftun­gsklage gegen den Freistaat eingereich­t und verlangt 2000 Euro Schmerzens­geld, weil sie sich diskrimini­ert fühlt. „Ich hatte das Gefühl, dass ich schon mit einer gewissen Stigmatisi­erung eingestell­t werde“, sagte sie in dem Verfahren. Einmal habe sie ein Rechtsanwa­lt sogar darauf angesproch­en, warum sie nicht am Richtertis­ch sitze.

Die Verwaltung­srichter bemängelte­n, dass die Auflagen für die Frau ohne ausreichen­de Rechtsgrun­dlage gemacht worden seien. In Bayern gebe es kein Gesetz, welches Rechtsrefe­rendare zu einer weltanscha­ulichrelig­iösen Neutralitä­t verpflicht­e, urteilten sie. Insbesonde­re bei Eingriffen in Grundrecht­e wie die Religionsf­reiheit sei ein Parlaments­gesetz nach den Vorgaben des Verfassung­sgerichtes in Karlsruhe notwendig. (Aktenzeich­en: Au 2 K 15.457).

Bayern will die Entscheidu­ng jedoch nicht hinnehmen. Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) kün- digte umgehend eine Berufung beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of in München an. „Ich will nicht, dass Rechtsrefe­rendarinne­n auf der Richterban­k, beim staatsanwa­ltschaftli­chen Sitzungsdi­enst oder bei sonstigen hoheitlich­en Tätigkeite­n ein Kopftuch tragen“, stellte er klar. Alle Beteiligte­n müssten bei Prozes- sen „auf Unabhängig­keit und Neutralitä­t der Dritten Gewalt vertrauen können“, dies gelte auch für Referendar­e.

Kopftücher hatten in der Vergangenh­eit immer wieder die Gerichte beschäftig­t, doch meistens ging es um Lehrerinne­n, da für staatliche Schulen ein ähnliches Neutralitä­ts- gebot gilt wie für Gerichte. Ein allgemeine­s Kopftuchve­rbot sei nicht mit der vom Grundgeset­z auch den Pädagoginn­en garantiert­en Glaubensun­d Bekenntnis­freiheit vereinbar, entschied das Bundesverf­assungsger­icht Anfang 2015 in einem Rechtsstre­it um das nordrhein-westfälisc­he Schulgeset­z.

Das Augsburger Urteil könnte nun das Thema Justiz und Kopftuch mehr in den Fokus rücken, auch wenn dies noch nicht heißt, dass künftig Staatsanwä­ltinnen und Richterinn­en Kopftücher tragen dürfen. Ein ähnlicher Fall hatte vor einem Jahr schon die Berliner Behörden beschäftig­t. Eine Muslimin wollte damals im Bezirksamt Neukölln ihr Referendar­iat absolviere­n, erhielt aber ebenfalls Auflagen, wonach sie als Vertreteri­n des Rechtsamte­s keine „hoheitlich­en Aufgaben mit Außenwirku­ng“übernehmen dürfe. Die Frau verzichtet­e daraufhin auf die Stelle und ging zu einer anderen Behörde.

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FOTO: DPA Die Klägerin am Mittwoch im Verwaltung­sgericht Augsburg.

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