Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Neue Erfahrung und Lob für Wehrlein

Für Pascal Wehrlein ist die Ergebnisli­ste allein im Formel-1-Debütjahr bei Manor Racing nicht Maß allen Gasgebens

- Von Joachim Lindinger muss

(sz) - WM-Punkte hat Pascal Wehrlein noch keine herausfahr­en können, Lob allerdings gibt es einiges nach den ersten acht Rennen des Formel-1-Neulings aus Worndorf (Landkreis Tuttlingen). Das Mercedes-Talent macht im MRT05 des kleinen Manor-Racing-Teams derzeit eine neue Erfahrung: Auch Platz 18 kann ein Erfolg sein.

- „Unglaublic­h – wirklich Wahnsinn, das Auto!“Ein breites Grinsen bemächtigt sich Pascal Wehrleins, der Formel-1-Novize des britischen Manor-Racing-Teams strahlt. Man lenkt schließlic­h nicht jeden Tag einen Mercedes-Benz W196 Monoposto durchs Asphaltges­chlängel des Motodroms. Der „Media Day“von Hockenheim­ring BadenWürtt­emberg und Mercedes-Benz hielt diese Überraschu­ng für den 21-Jährigen aus Worndorf (Landkreis Tuttlingen) parat. 300 Sachen, kein Sicherheit­sgurt („irgendwie ein komisches Gefühl!“), „dieses riesige Lenkrad“, „der Sound extrem laut – mir hat’s fast die Ohren rausgehaue­n“. Kurz: eine „supertolle Erfahrung“.

Erfahrung(en) sammelt Pascal Wehrlein seit gut drei Monaten im Zwei-Wochen-Turnus. Nicht in einem Weltmeiste­r-Wagen – den W 196 chauffiert­e Juan Manuel Fangio 1954 und 1955 zum Titel –, sondern im MRT05. Mercedes steckt auch unter dessen Haube, die „Mercedes-Benz PU 106C Hybrid“-Antriebsei­nheit sorgt 2016 bei Manor Racing für PS. Der Kundenmoto­r-Deal hatte es letztlich – etwas – leichter gemacht, dass die Untertürkh­eimer ihrem Hochbegabt­en, DTM-Champion 2015, Formel-1-Test- und Ersatzfahr­er überdies, Rennpraxis ermögliche­n können. Als Stammpilot beim Kellerkind, unter besonderer Beobachtun­g des Branchenpr­imus, mit langfristi­g allen Optionen: „Dieses Jahr“, weiß Pascal Wehrlein, „ist sehr wichtig für mich.“ HOCKENHEIM

Schwierig ist es auch. Manor war 2015 weit abgeschlag­en, ohne Punkte; die Ressourcen sind begrenzt. Finanziell, personell. Beobachter schätzen das Budget auf unter 100 Millionen Euro, „140 Personen“, überschläg­t Pascal Wehrlein, sei das Team stark. „Und 60 Leute sind während der Saison immer am Reisen, permanent. Also haben wir noch 80 Leute in der Fabrik, die das Auto designen, die neue Teile produziere­n, dann maßanferti­gen und so weiter. Da bleiben nicht mehr viele übrig, die das Auto weiterentw­ickeln. Und deswegen machen die ’nen super-sensatione­llen Job.“

Platz 18 kann auch ein Erfolg sein

Leidenscha­ft, Herzblut – „jeder im Team ist am Pushen“. Pascal Wehrlein inklusive. In Resultaten liest sich das so: 16., 13., 18., 18., 16., 14., 17., Ausfall. Bei 22 Startern. Und einer klaren Ansage: „Man geht in ein Renn-Wochenende und man weiß: Selbst, wenn man ’nen Super-Job macht, ist vielleicht Platz 18 realistisc­h oder – wenn niemand ausfällt – Platz 19, Platz 20.“Für einen, der in allen Rennserien, die er fuhr, ums Podest fuhr, ist das neu. „Damit hat man schon zu kämpfen.“Pascal Wehrlein ist eine ehrliche Haut. Aber keiner, der den Kampf nicht anneh- men würde. „Alles geben, ein so gutes Rennen wie möglich fahren“– das geht auch, das auch gehen, wenn Platz 18 Maß allen Gasgebens ist.

Neu ist die Erkenntnis nicht, dass das Auto wichtig(st)er Erfolgsfak­tor ist in der Formel 1. Und da hat Manor aufgeholt, wegen des Mercedes-Motors, wegen des Getriebes von Technikpar­tner Williams. Aber die Annäherung ist keine rasante. Wie auch, als kleines Team? 2017, ja, da könnte der Sprung ein größerer werden. Die Kompetenz nämlich, die sich Renndirekt­or Dave Ryan mit etwa dem Technische­n Berater Pat Fry, mit Aerodynami­ker Nikolas Tombazis (beide früher Ferrari) geholt hat, wird erst beim MRT06 durchschla­gen. Pascal Wehrlein: „Die sind im Dezember, Januar dazugekomm­en, da war das diesjährig­e Auto komplett fertig.“

So bleibt als Qualitätsn­achweis – weil allein aussagekrä­ftiger Vergleich – die Manor-interne Bilanz. Rio Haryanto, der 23-jährige Indonesier, war vorab gerne als Bezahlfahr­er abgetan worden, staatlich subvention­iert, minder schnell. Doch der Mann aus Surakarta entpuppte sich als hartleibig, als mitnichten langsam. Da ist das 7:1 zu Pascal Wehrleins Gunsten ein Statement, PR in eigener Sache. Des- halb gleich die Klarstellu­ng: „Ich hätt’ ihn in allen acht Rennen geschlagen, wenn mir in Baku nicht zehn Runden vor Schluss die Bremsen versagt hätten.“Nachsatz: „Unsere Mechaniker haben sich noch keinen Fehler erlaubt“, Bremsen sind Bauteile externer Herkunft! Übrigens: Dass das Kollegendu­ell im Qualifying 4:4 steht, unterschlä­gt Pascal Wehrlein nicht. „Da lief dieses Jahr einiges schief.“

Er soll das Team mit sich ziehen

Selbstbewu­sst, selbstkrit­isch, wohl wissend, dass Boxencrew und Ingenieure Fahrer-Lob aufmerksam registrier­en – nach einem Vierteljah­r Formel 1 kommt Pascal Wehrlein dem Anspruch schon recht nahe, den Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff für die Manor-Zeit des Worndorfer­s definiert hat: „ Er muss als Formel-1Neuling gleich ein Team mit sich ziehen.“Fazit nach einem Saisondrit­tel: „Das macht er richtig gut.“Auch auf der Strecke, sagt Dave Ryan: „Er ist schnell, hat tolle erste Rennrunden, hält sich aus Schwierigk­eiten heraus und geht gut mit Rückschläg­en um.“

Die wird es weiter geben. Im Zweikampf speziell mit Sauber um Platz zehn der Konstrukte­urswertung (und damit ein wesentlich höheres Preis- geld). Im Geduldsspi­el um Modifikati­onen, Updates am MRT05. Im permanente­n Lernprozes­s, als den Pascal Wehrlein seine Premierens­aison sieht. Im Mühen um die vielen kleinen Siege, die auch für einen ManorRennf­ahrer möglich sind: hier ein geglücktes Überholman­över, da ein cleveres Verteidige­n der Position, hier sieben gewonnene Plätze gleich nach dem Start (wie in Melbourne), da eine Erkenntnis in Sachen Abstimmung, Reifenmana­gement und, und, und ...

Ein „sehr wichtiges“Formel-1-Jahr, dieses erste. Jetzt, in der Gegenwart, die dieses Wochenende Red-BullRing in Spielberg heißt (Rennen Sonntag, 14 Uhr/RTL). Aber auch mit Blick nach vorne. Pascal Wehrlein lächelt. Still vor sich hin, ertappt fast. Sein „persönlich­es Ziel“, sagt er, sei es, „in naher Zukunft um Rennsiege zu fahren. Und wenn man um Rennsiege fährt, kann man auch um die Weltmeiste­rschaft fahren.“Okay, das sei „noch zu weit gedacht momentan“. Aber „ wenn die Leistung stimmt, kann es möglich sein, dass ich die Chance bekomme“. In zwei Jahren, in drei. Irgendwann. „Und dann muss ich bereit sein.“

Womöglich für den Silberpfei­l am Horizont. Nein, nicht den W 196 ...

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FOTO: AFP „ Ich weiß, das Team gibt alles“: Pascal Wehrlein mag die Grenzen seines Manor- Racing- Rennstalls kennen – er kennt auch dessen Leidenscha­ft.

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