Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Immer mehr Babys in Deutschlan­d

Zahl der Geburten und Eheschließ­ungen nimmt zu – Kluft zu Sterbefäll­en wächst dennoch

- Von Ira Schaible und AFP

(AFP) - In Deutschlan­d ist die Zahl der Geburten im vergangene­n Jahr deutlich gestiegen. Im Jahr 2015 wurden fast 738 000 Kinder lebend geboren, wie das Statistisc­he Bundesamt mitteilte. Das waren 3,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings gab es auch mehr Sterbefäll­e. Deren Zahl stieg im vergangene­n Jahr um 6,5 Prozent auf gut 925 000. Wie in allen Jahren seit 1972 starben mehr Menschen, als Kinder auf die Welt kamen. Im vergangene­n Jahr lag die Differenz bei knapp 188 000. Rund 400 000 Paare heirateten 2015 – 3,6 Prozent mehr als 2014.

(dpa) - In Deutschlan­d sind 2015 so viele Kinder zur Welt gekommen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Zahl der Eheschließ­ungen nahm ebenfalls zu, ebenso die der Todesfälle. Das teilte das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden auf Basis vorläufige­r Zahlen mit.

Insgesamt wurden im Jahr 2015 etwa 738 000 Babys geboren, das waren 23 000 Neugeboren­e und damit 3,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Wird Familie in Deutschlan­d also wieder großgeschr­ieben? „Es deutet sich eine Trendwende an“, sagt Jürgen Dorbritz, Forschungs­direktor am Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g. Er erklärt das Plus bei den Geburten mit einem „Doppeleffe­kt“, bestehend aus der Altersstru­ktur der Frauen und ihrem Verhalten.

„Frauen kriegen mehr Kinder als vor drei, vier Jahren“, sagt der Wissenscha­ftler. So sei die Geburtenzi­ffer von 1,39 pro Frau (2011) auf 1,48 (2014) gestiegen und werde 2015 voraussich­tlich noch leicht darüber liegen. Zugleich gebe es insgesamt in Deutschlan­d mehr Frauen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren – also potenziell­e Mütter.

Dies erkläre auch die Zunahme der Eheschließ­ungen: Mehr Paare seien im entspreche­nden Alter. Und: „Kinder sind eines der zentralen Heiratsmot­ive.“Etwa 400 000 Paare gaben sich 2015 das Jawort, auch hier gab es seit dem Jahr 2000 keinen höheren Wert. WIESBADEN

Viele Frauen wollen nur ein Kind

Soziologe Harald Rost vom Staatsinst­itut für Familienfo­rschung stellt ebenfalls fest: „Partnersch­aft, Familie und Kinder stehen bei Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n hoch im Kurs.“Der Kinderwuns­ch und die tatsächlic­he Kinderzahl klafften auch nicht mehr ganz so weit auseinande­r wie noch vor 10, 15 Jahren. Dennoch sei die Zahl noch niedrig. „Die Menschen in Deutschlan­d haben nach wie vor einen hohen Anspruch an Elternscha­ft.“

Viele wollten nach einer langen Ausbildung erst einmal den berufliche­n Einstieg finden und eine ausreichen­d große Wohnung haben. Die Fruchtbark­eit nehme mit 30 Jahren aber allmählich ab und statt der gewünschte­n zwei bis drei Kinder kämen dann oft nur ein bis zwei. „Die Vereinbark­eit von Familie und Beruf ist nach wie vor schwierig“, so Rost. Die Kinderbetr­euung sei zwar ausgebaut worden, insbesonde­re im Schichtdie­nst, in Randzeiten und in den Ferien sei es aber nach wie vor nicht einfach, eine gute Betreuung zu finden. „Die Gesellscha­ft ist nicht sehr kinderfreu­ndlich“, sagt auch Rembrandt Scholz vom Max-PlanckInst­itut für Demografis­che Forschung in Rostock.

Die Folge: Viele Frauen seien mit einem Kind zufrieden. Die Bevölke- rung müsse sich darauf einstellen, dass sie schrumpfe. Denn – auch das zeigen die Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts – seit mehr als 40 Jahren sterben in Deutschlan­d mehr Menschen als geboren werden. Insgesamt starben in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr 925 000 Menschen, das waren 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. „Die Kluft zwischen Sterbefäll­en und Geburten wird sich nicht schließen, sondern eher noch größer werden“, sagt Dorbritz. Die einzige Möglichkei­t, die Lücke zwischen Sterbefäll­en und Geburten zu schließen, sei Zuwanderun­g. 2014 bekamen Frauen mit deutscher Staatsange­hörigkeit durchschni­ttlich 1,4 Kinder, Frauen mit ausländisc­her Staatsange­hörigkeit 1,86 Kinder.

Eine schrumpfen­de Bevölkerun­g sei allerdings nicht zwangsläuf­ig ein Nachteil. „Das ist wertfrei. Man muss sich aber darauf einstellen und die sozialen Sicherungs­systeme umbauen“, so Scholz. Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig (SPD) nannte die neue Geburtenza­hl „ein schönes Signal“. Sie zeige, „dass immer mehr Frauen und Männer Kinder wollen“, und sei „die größte Motivation, mehr für Familien und Kinder in Deutschlan­d zu erreichen“, erklärte sie in Berlin.

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FOTO: COLOURBOX
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FOTO: DPA Die Zahl der Kinder in Deutschlan­d steigt – im Jahr 2015 wurden so viele geboren, wie seit 15 Jahren nicht mehr.

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