Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gentechnik in Deutschland: Ein größerer Wirtschaftsfaktor als gedacht
Bei Gen- und Biotech-Unternehmen fallen oft ausländische Namen – Die Branche wird aber auch in Deutschland immer wichtiger
(dpa) - Mit dem Milliardengebot von Bayer für den USSaatgutriesen Monsanto flammt in Deutschland auch die GentechnikDebatte wieder auf. Als größter Saaten-Hersteller steht der Konzern aus St. Louis (Missouri) wegen genetischer Veränderungen bei Lebensmittel-Pflanzen wie Mais und Soja seit Jahren in der Kritik. Insgesamt spielt die Gentechnik hierzulande nach anfänglichen Widerständen aber eine immer größere Rolle. „Grüne Biotechnologie“auf dem Acker kämpft weiter um Akzeptanz – ihre „rote“Schwester, bei der es um Medikamente geht, hat sich dagegen oft schon durchgesetzt.
In der Medizin kommt Gentechnik vielfach zum Einsatz: Zahlreiche Arzneien und Impfstoffe werden mit ihr hergestellt, und die Forschung arbeitet auf Hochtouren an neuen Mitteln. Kernfelder sind schwerwiegende Leiden wie Krebs- oder Autoimmunerkrankungen. Der Markt wächst stark. Aktuell liegt der Jahresumsatz mit „roter“Biotechnologie in Deutschland nach Schätzungen der Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) bei rund 20 Milliarden Euro. FRANKFURT
Akzeptiert in der Medizin
Der Einsatz der Gentechnik in der Medizin hat einen steinigen Weg hinter sich. Bayer etwa ist in der Pharmaforschung seit Jahren auf dem Gebiet aktiv. So wird das Blutermittel Kovaltry biotechnologisch hergestellt – allerdings im US-Bundesstaat Kalifornien. Erst jetzt baut Bayer auch in Wuppertal eine Produktion auf. Auch Boehringer Ingelheim am Standort Biberach und die Darmstädter Merck produzieren Medika- mente auf biotechnologischer Basis oder arbeiten daran.
Widerstand gibt es besonders bei der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft. So stellte der Chemieriese BASF nach langem Streit Anbau und Vermarktung seiner Industriekartoffel Amflora ein. Das Unternehmen verlegte 2012 seine Gentechnik-Sparte in die USA – wegen fehlender Akzeptanz bei Verbrauchern, Bauern und Politikern.
Auch Bayer hat seine Forschungszentren mit dem Schwerpunkt Saatgut vor allem in den USA und in Belgien angesiedelt. Eingesetzt wird Gentechnik inzwischen bei Baumwolle, Raps und Soja. Für den europäischen Markt entwickelt Bayer aber nichts, auch Feldversuche finden hier nicht statt. Dennoch lassen gentechnisch veränderte Produkte die Kassen bei Bayer klingeln: Ihr Anteil am Saatgut-Umsatz von insge- samt rund einer Milliarde Euro liegt bei etwa 60 Prozent.
Kritiker wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bemängeln, die Versprechen, mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere Erträge und weniger Chemie auf dem Acker zu haben und den Hunger zu bekämpfen, hätten sich nicht erfüllt. Mehr Spritzmittel würden eingesetzt, bei Unkraut und Insekten entwickelten sich Resistenzen. Die Gesundheit von Mensch und Tier sei in Gefahr.
Neue Verfahren führen aber auch dazu, dass der Einsatz der Gentechnik genauer und einfacher wird – und sich somit in den Laboren schneller verbreitet. Befürworter mahnen, neue Methoden in der Gentechnik nicht gleich im Keim zu ersticken. Vorbehalte in der Nahrungsmittelindustrie sollten nicht eins zu eins auf die Medizin übertragen werden.