Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Spionageabwehr in Évian
Vor dem Viertelfinale gegen Italien schottet sich die Nationalmannschaft konsequent ab und trainiert unter Ausschluss der Öffentlichkeit
(dpa/sz) - Joachim Löw schöpft alle Mittel aus, um endlich einmal gegen Italien zu gewinnen. Sogar Spionageabwehr gehört dazu. Nur noch das Allernötigste soll über die Vorbereitung des Weltmeisters auf den Angstgegner aus dem von Sicherheitskräften bewachten Quartier am Genfer See nach außen dringen. So war das Training am Donnerstag komplett geschlossen. Und sogar das Abschlusstraining für das EM-Viertelfinale wird am Freitag noch in Évian stattfinden und nicht am Spielort in Bordeaux, wie es normalerweise üblich wäre.
„Lasst euch überraschen“, bemerkte Mittelfeldspieler Toni Kroos am Donnerstag bei der Pressekonferenz im DFB-Medienzentrum lächelnd zum Versteckspiel. Die Botschaft war auch an die anwesenden Reporter aus Italien gerichtet. Heite- ÉVIAN res Aufstellungs- und Taktikraten ist angesagt, ehe es am Samstag (21 Uhr/ ARD) ernst wird. „Da gibt es die nächsten Tage noch ein bisschen was zu spekulieren und diskutieren. Es gibt da ja alle möglichen Varianten: Basti rein, Sami raus, Sami mit dabei. Wir wissen, dass Jogi Löw sich immer mit vielen Varianten beschäftigt“, sagte auch Oliver Bierhoff zu den Spekulationen über Schweinsteiger und Khedira.
Der DFB-Teammanager berichtete von Diskussionen des Trainerstabes mit der Scouting-Abteilung im Teamhotel Ermitage. Die UEFA stimmte derweil einem Antrag des DFB zu, die finale Übungseinheit nicht im EM-Stadion von Bordeaux abhalten zu müssen. Im Stade Camille Fournier in Évian kann der Bundestrainer mit seinen Spielern hinter einem Sichtschutz unbeobachtet an taktischen Kniffen feilen, etwa an Standardsituationen. Mögliche personelle Veränderungen sollen ihren Überraschungseffekt behalten.
Bringt Löw doch wieder Mario Götze, der beim 4:1 im Test gegen Italien Ende März aufgetrumpft hatte? Dieser Sieg in München glückte mit einer Dreierkette sowie dem Überraschungs-Duo Toni Kroos und Mesut Özil im defensiven Mittelfeld. „Wir haben diese Option nicht zum Spaß gespielt“, bemerkte Geheimnisträger Kroos. Und Torwarttrainer Andreas Köpke fügte hinzu: „Wir haben uns intensiv mit den Italienern beschäftigt. Wir werden auf sie vorbereitet sein.“Die Normallösung wäre freilich, dass exakt jene Elf beginnt, die beim 3:0 gegen die Slowakei von vorne bis hinten funktioniert hatte. Auch der Kölner Jonas Hector soll nach einer Grippe einsatzfähig sein.
Der Respekt vor der Squadra Azzurra ist nicht nur wegen der hinlänglich bekannten deutschen Turnierbilanz – acht Spiele, kein Sieg – groß. Das 2:0 der Italiener gegen Spanien im Achtelfinale hat auch den Spielern beim TV-Studium imponiert. „Wir haben gesehen, wie ge- fährlich sie sind“, sagte Verteidiger Mats Hummels. Es komme am Samstag auf Kleinigkeiten an, ein Torfestival sei nicht zu erwarten. „Es kann sein, dass es eines dieser Spiele wird, bei denen der erste Fehler, das erste Tor, schon alles entscheidet“, sagte der künftige Bayern-Profi.
Grindel: „Jede Serie geht irgendwann einmal zu Ende“
Aber auch der Wille, eine Zeitenwende zu erzwingen, ist am Genfer See spürbar. „Jede Serie geht irgendwann einmal zu Ende“, sagte etwa Reinhard Grindel am Donnerstag. Der DFB-Präsident vertraut dem Bundestrainer. Löw habe in den ersten Spielen „eindrucksvoll bewiesen, dass er auf alle Gegner eine sehr gute Antwort findet“. Der Chefcoach agiere als Teamworker und sei nicht „beratungsresistent“. Zum Glück.