Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Anderes Klima der Begegnung
Generaloberin der Franziskanerinnen beendet die Fastenpredigten
- Auch vor der letzten der vier Fastenpredigten hat Kantor Georg Grass die zahlreichen Zuhörer in St. Gallus durch meditative Orgelmusik aus dem Alltag zum besonderen Ereignis geführt. Momente, um zur Ruhe zu kommen, aufnahmefähig zu werden.
Man war gespannt, was Schwester Maria Hanna Löhlein, die Generaloberin der Franziskanerinnen im Kloster Reute, zu den Seligpreisungen, dem Leitthema der diesjährigen Fastenpredigten, zu sagen hatte. Der Franziskanerorden, ein Bettelorden, hat einen anderen Bezug zum irdischen Reichtum als die Allgemeinheit. Auf der gleichen Linie liegt der derzeitige Papst, dessen Name Franziskus ein Programm darstellt.
Die Predigerin sprach zuerst die Fastenzeit an als eine Zeit der inneren Umkehr und Neuorientierung. Das Aschenkreuz am Aschermittwoch mahne an die Vergänglichkeit, Papst Franziskus sage dazu: „Wir sind Staub in den liebenden Händen Gottes.“Die Fastenzeit sei eine Zeit der Befreiung, des Durchatmens.
Sie erinnerte an den Sündenfall der ersten Menschen, der sie erkennen ließ, dass sie nackt und schutzlos waren. „Adam, Mensch, wo bist du?“, habe Gott gefragt. Auch wir sollten uns immer wieder fragen: „Wo bist du?“, denn: „Gott will aufrichten und nicht abstrafen.“
Dann wandte sie sich der Bergpredigt zu, dem „packendsten und provozierendsten Text aus dem Neuen Testament“. TETTNANG Armut als Glück, als Seligkeit sei gewiss nicht erstrebenswert. Arme seien schutzlos den Interessen der Stärkeren ausgesetzt, eine menschenwürdige Existenz infrage gestellt. Eine Rechtfertigung solcher Armut könne Jesu Aussage nicht sein, denn Gott wolle den Menschen auf den Weg des Lebens führen. Welche Armut sei also gemeint? Nicht die unfreiwillige Armut, die die Würde nimmt. Sie erinnerte an die vielen Dimensionen der Armut: das Bedürfnis nach Sinn, nach Liebe, nach Anerkennung.
Immer wieder wurde klar, dass die Aussagen der Bergpredigt primär eigentlich nichts mit Kirche oder Religion zu tun haben, sondern Ratschläge geben für den Umgang der Menschen miteinander. Armut bedeute, bedürftig zu sein, sich nicht selbst helfen zu können. Doch wer sich bewusst sei, von Gott geliebt zu werden, definiere sich nicht über den Besitz, sondern könne teilen: Eine freiwillige Armut im Reichtum schaffe ein anderes Klima der Begegnung – mit offenen Händen geben und empfangen. In dieser Armut liege ein großer Reichtum. Die Predigerin warnte jedoch eindringlich davor, aus Bequemlichkeit auf Kosten anderer zu leben.