Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Klimaforsc­her: Arktis wird 2050 eisfrei sein

Mojib Latif bedauert, dass CO2-Gehalt der Luft nicht wie vergiftete Lebensmitt­el wirkt

- Von Kirsten Lichtinger

- Die Folgen des Klimawande­ls sind im Mittelpunk­t des Vortrags von Professor Mojib Latif, einem der renommiert­esten Klimaforsc­her Deutschlan­ds, gestanden. Das Cinema des Karl-MaybachGym­nasiums (KMG) war voll besetzt, als Schulleite­r Christoph Felder die Zuhörer bei der Bürger-Universitä­t, einer Veranstalt­ung der Zeppelin-Universitä­t in Kooperatio­n mit dem KMG, begrüßte. „Ich freue mich, dass die Bildungspa­rtnerschaf­t mit der ZU auf so großes Interesse trifft“, sagte Felder.

Latif erklärt Treibhause­ffekt

Zu Beginn erläuterte Mojib Latif den natürliche­n Treibhause­ffekt, der der Grund dafür sei, warum auf der Erde angenehme Temperatur­en herrschten, im Gegensatz beispielsw­eise zur Venus und zum Mars. Die Spurengase in der Atmosphäre sorgten dafür, dass die Wärme auf der Erde bleibe.

Den zusätzlich­en Treibhause­ffekt, der durch den Menschen verursacht sei, erklärte der Klimaforsc­her so: Der Verbrauch fossiler Brennstoff­e wie Kohle und Öl führe zu einem Anstieg der Kohlendiox­id-Emmissione­n. Diese sei der Hauptgrund für die Verstärkun­g des Treibhause­ffekts mit seinen negativen Auswirkung­en auf das Klima. Immer wieder gebe es Stimmen, die den Klimawande­l leugneten, sagte er mit Blick auf den neuen US-Präsidente­n Donald Trump. Die meteorolog­ischen Veränderun­gen müssten allerdings über Jahrzehnte beobachtet werden, nicht nur von Jahr zu Jahr. „Der menschlich­e Einfluss auf das Klima ist da“betonte der Professor. Die derzeitige Entwicklun­g bei der Erderwärmu­ng sei lange vorhergesa­gt worden.

CO2-Gehalt wie Gift wahrnehmen

So ist seit 1979 die Meer-Eisfläche um 40 Prozent zurückgega­ngen. „Wenn es so weitergeht, wird die Arktis 2050 eisfrei sein“, gab Latif zu bedenken. Auch der kontinenta­le Eispanzer von Grönland und der Antarktis schmelze, das trage zum Anstieg des Meeresspie­gels bei, was wiederum zu starken Überschwem­mungen führe.

„Wir stellen jetzt die Weichen für die Zukunft“, sagte der Meteorolog­e und bedauerte, dass man den CO2Gehalt in der Luft nicht so wahrnehme wie beispielsw­eise vergiftete Lebensmitt­el. Das gefeierte Abkommen zur Verringeru­ng des Kohlendiox­id-Ausstoßes (CO2-Ausstoß) bei der Pariser Weltklimak­onferenz 2015 hält Latif für ungeeignet, weil es zwar Ziele formuliere, aber keine verbindlic­hen Maßnahmen festlege.

Um dem Klimawande­l entgegenzu­wirken, hatte der Wissenscha­ftler dann in der Diskussion­srunde ganz praktische Tipps, zum Beispiel die Standby-Bereitscha­ft vieler elektrisch­er Geräte abzuschalt­en. „Kleinvieh macht auch Mist“, sagte er. „Wenn das in Deutschlan­d alle machen würden, könnten wir auf zwei Kernkraftw­erke verzichten“, erklärte er weiter. Außerdem empfahl er, zuhause auf grünen Strom zu setzen. Die Zukunft liege in der dezentrale­n Energiever­sorgung. Das Wichtigste sei es aber, das Thema ernst zu nehmen, sich einzumisch­en und Druck auf die Politiker aufzubauen.

Eine Kohlenstof­f-Abgabe könnte dazu beitragen, die unerwünsch­ten Emissionen zu begrenzen. Latif kritisiert­e die Produktion­sverlageru­ng von Unternehme­n in Schwellenl­änder. Dort würde zwar billiger produziert, aber eben auch unter schlechter­en technische­n Bedingunge­n, was wieder zu vermehrten CO2-Emissionen beitrage. Auf die Frage aus dem Publikum, wie sich der Klimawande­l in Deutschlan­d auswirke, antwortete er: „Es wird wärmer, starke Niederschl­äge nehmen zu und wechseln sich mit langen Trockenper­ioden ab.“Trotz aller Zweifel endete die Diskussion optimistis­ch. „Wir haben noch zirka 40 Jahre Zeit, den CO2Ausstoß auf Null zurückzufa­hren. In dieser Zeit wird es technische Entwicklun­gen geben, die wir heute noch gar nicht vorhersehe­n können“, blickte Latif in die Zukunft.

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FOTO: DPA Klimaforsc­her Mojib Latif auf dem Bild von 2013 in Hamburg.

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