Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Familienroman voller Überraschungen
Ein sehr heißer Tag, ein ungeladener Gast, eine große Flasche Gin. Nicht nur die Geschwister lesen, was Frannys Geliebter in seinem neuen Bestseller so effektvoll in Szene setzt. Mit dem kleinen Unterschied, dass es in dem Buch zufällig um ihr Leben geht. Doch wem gehört eigentlich die Geschichte und wer darf sie erzählen? Ohne Klischees und voller Überraschungen schreibt Ann Patchett in ihrem neuen Roman „Die Taufe“über die Irrungen und Wirrungen einer amerikanischen Patchworkfamilie. Sie begleitet die Protagonisten über einen Zeitraum von 50 Jahren bis in die Gegenwart. Eine Kindstaufe setzt dabei die Handlung in Gang.
Das Buch ist ernst und anspruchsvoll, aber dennoch unterhaltsam geschrieben. Man braucht zwar eine Weile bis klar ist, wer zu wem gehört und mit wem verwandt ist. Aber dann lässt einen die Geschichte nicht mehr los. Es geht um Geschwisterliebe und Zusammenhalt, um intime Momente und tragische Unfälle. Patchett lässt die Geschehnisse aus verschiedenen Perspektiven erzählen – anfangs vor allem aus der Sicht von Franny, dem einstigen Täufling, später beispielsweise auch aus der Perspektive von Stiefschwester Jeanette oder Stiefmutter Teresa.
Ann Patchett, die bereits sieben Romane veröffentlicht hat, versteht ihr Handwerk. Um Spannung zu erzeugen, springt sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart immer wieder hin und her, nimmt einen Faden auf, fügt einen neuen hinzu, lässt Unerwartetes geschehen, um am Ende alles mit leichter Hand zusammenzufügen. Übrigens: Auch wenn Franny ihrem Liebhaber viele Begebenheiten ihres Clans erzählt hat, so hat sie doch manches auch für sich behalten – ob bewusst oder unbewusst bleibt offen. Wie etwa das große Geheimnis um den Tod ihres Stiefbruders Cal, der allergisch auf Bienen ist und eines Tages jämmerlich an einem Stich erstickt.
Ann Patchett: Die Taufe. Roman, Berlin Verlag, 391 Seiten, aus dem Amerikanischen von Ulrike Thiesmeyer, 22 Euro.