Schwäbische Zeitung (Tettnang)
34 Millionen Euro für die Obstbauern
Sprecher Martin Nüberlin und Landrat Elmar Stegmann freuen sich über gute Nachricht
LINDAU/MÜNCHEN - Ein millionenschweres Hilfsprogramm für die frostgeschädigten Obstbauern am Bodensee und in Franken hat das bayerische Kabinett beschlossen. Obwohl die Frostschäden bereits im April eintraten, habe man damit gewartet, bis die Ernteerträge absehbar seien, sagte Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) am Dienstag in München. Martin Nüberlin, Sprecher der Obstbauern vom bayerischen Bodensee, freut sich über die gute Nachricht. Denn einige seiner Kollegen seien bereits unruhig geworden, weil die Hilfen so lange auf sich haben warten lassen.
Auch die Opposition im bayerischen Landtag kritisierte, dass Bayern erst jetzt auf die zum Teil katastrophalen Ernteausfälle reagiere. Das Nachbarland Baden-Württemberg habe entsprechende Hilfen bereits im Mai beschlossen, sagte der agrarpolitische Sprecher der SPD im Landtag Horst Arnold (Fürth). Die bayerische Staatsregierung reagiere „viel zu träge“, bemängelte auch der Freie Wähler-Agrarsprecher Leopold Herz. Zu spät ist es laut Nüberlin allerdings noch nicht. „Wer jetzt schon auf Hilfen angewiesen ist, hat sowieso ein Problem“, erklärt er im Gespräch mit der LZ. Denn die Obstbauern bekämen derzeit die Erträge vom vergangenen Jahr ausbezahlt. Eine vollständige Bilanz über die Ernte 2017 wird es, so Nüberlin, erst Ende nächsten Jahres geben.
Insgesamt will der Freistaat 34 Millionen Euro für die Hilfen zur Verfügung stellen. Nachgewiesene Schäden sollen nach den Worten Brunners bis zu maximal 50 Prozent ausgeglichen werden, sofern die Ernteerträge mindestens um 30 Prozent schlechter als im Schnitt ausfallen. Als Referenz gelten die Ernteerträge der vergangenen fünf Jahre.
Damit wären, so Nüberlin, alle Obstbauern am bayerischen Bodensee betroffen. „Die Schäden sind gewaltig“, sagt er. Allerdings variiere das Ausmaß. „Im Osten gibt es weniger Schäden als im Westen.“In besonderen Härtefällen sind Hilfen bis zu 150 000 Euro pro Antragsteller vorgesehen. Insbesondere bei kleineren Betrieben, deren Existenz gefährdet ist, kann der Entschädigungssatz auf bis zu 80 Prozent erhöht werden.
„Es ist gut, dass der Freistaat in Notsituationen für seine Bürger da ist“, sagt Landrat Elmar Stegmann. Denn für einige Obstbauern und Winzer im Landkreis Lindau ist die Situation existenzbedrohend. Er habe sich deshalb gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Eric Beißwenger auch schon an den Bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner gewandt, mit der Bitte, die betroffenen Landwirte zu unterstützen. „Der Obst- und Weinanbau ist untrennbar mit dem bayerischen Bodensee verbunden und trägt ganz maßgeblich zu seiner Attraktivität bei“, so Stegmann.
Nach frühlingshaften Temperaturen im vergangenen März war die Quecksilbersäule im darauffolgenden April in zwei Nächten auf minus sieben Grad Celsius gefallen. Das überlebten die meisten bereits vorhandenen
„Es ist gut, dass der Freistaat in Notsituationen für seine Bürger da ist.“
Blüten nicht. Die Ernteausfälle lägen zwischen 50 und 90 Prozent, sagte Brunner. Betroffen seien vor allem die Obstanbaugebiete am Tegernsee sowie die Kirschen in Franken. Der Schaden wird in Bayern auf 60, bundesweit auf 500 Millionen Euro geschätzt.
„Wir merken die Klimaveränderungen sehr und wollen damit nicht allein gelassen werden“, sagt Nüberlin. In diesem Jahr seien allerdings zwei Faktoren zusammengekommen, die den Obstbauern in Kombination das Leben schwergemacht haben: „Es war sehr kalt und der Wind kam aus Richtung Osten. Wäre er aus Süden, vom warmen Bodensee, gekommen, hätte vielleicht alles ganz anders ausgesehen.“Martin Nüberlin hofft, dass die Faktoren so schnell nicht mehr aufeinandertreffen.
Brunner rechnet damit, dass die Frostschäden auf 3800 Quadratmetern ausgeglichen werden müssen. Diese verteilen sich im Bodenseegebiet auf Äpfel-, Birnen-, ErdbeerZwetschgenund Aprikosenbestände sowie auf die Ausfälle bei Kirschen (370 Hektar) und Wein (300 Hektar) in Franken.
„Das Problem ist, dass es bis dato in Deutschland keine Mehrgefahrenversicherung gibt, mit der man sich gegen so etwas absichern kann“, sagt Nüberlin. Laut Brunner sollte man nachdenken, ob eine kombinierte Lösung wie in Österreich möglich sei, wo sich der Staat zur Hälfte an Versicherungsprämien beteilige. Auch die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Gisela Sengl, unterstützt eine derartige Versicherung. Damit nicht nach jedem schlimmen Ereignis neu verhandelt werden müsse, sei eine staatliche gestützte Ernteausfallversicherung erforderlich.