Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Erdbebenhelfer geben Suche nicht auf
Mexikos Behörden bestätigen 250 Tote und 50 Gerettete – Ursachenforschung beginnt
MEXIKO-STADT - Die zweite Nacht in Folge nach dem verheerenden Erdbeben haben die Rettungskräfte in Mexiko-Stadt nach Überlebenden in den Trümmern der eingestürzten Häuser gesucht. Dabei konzentrierten sich die Arbeiten am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) auf die Grundschule „Enrique Rébsamen“im Süden der Stadt, wo die Helfer noch mehrere Kinder unter den eingestürzten Mauern und Klassenräumen vermuteten. Sie glaubten zunächst, eine Zwölfjährige unter einem Tisch ausgemacht zu haben. Am Abend erklärte dann allerdings ein Marinesprecher, dass sich unter den Trümmern wohl kein eingeschlossenes Mädchen und auch keine anderen Kinder mehr befänden. Möglicherweise sei aber noch ein lebender Erwachsener in den Trümmern.
Die internationalen Protokolle schreiben vor, mindestens 72 Stunden nach Überlebenden zu suchen. Mittlerweile sind auch Helfer aus den USA, Deutschland, Japan und Venezuela in Mexiko eingetroffen, um die lokalen Rettungskräfte bei der Suche zu unterstützen.
Gleichzeitig beginnt die Suche nach den Gründen, warum in der Hauptstadt so viele Gebäude eingestürzt oder vom Zusammenfall bedroht sind. Nach dem verheerenden Beben von 1985, bei dem 10 000 Menschen ums Leben kamen, wurden die Bauvorschriften verschärft. Aber dennoch sind am Dienstag 38 Häuser in der Metropole komplett zusammengefallen, 37 vom Einsturz bedroht. Experten weisen darauf hin, dass die Vorschriften, die erdbebensicheres Bauen vorschreiben, nicht eingehalten wurden.
Seit 1986 wurde bei Neubauten die Zahl der Stockwerke reduziert, und Sicherheitsexperten müssen die Bebenresistenz der Konstruktionen zertifizieren. Im Laufe der Jahre allerdings wurden die Vorschriften gelockert oder einfach ignoriert, weil immer mehr Menschen in die Stadt drängten und oft ohne die entsprechende Erlaubnis gebaut wurde. Mehrere Gebäude ließen die Behörden wieder abreißen, weil sie nicht erdbebensicher waren oder keine Baugenehmigung vorlag.
Nach Angaben der Stadtregierung trugen bei dem Beben der Stärke 7,1 am Dienstag mindestens 1500 Gebäude in der Hauptstadt Schäden irgendeiner Art davon – von bröckelnder Fassade bis zu tiefen Rissen in der Substanz. Es wird Monate dauern, bis alle Gebäude in der Stadt überprüft sind, noch länger, bis die unbewohnbaren abgerissen werden. Falls das dieses Mal wirklich geschieht. Nach dem Beben von 1985 wurden viele schadhafte Häuser wegen fehlendem Know-how oder aus Kostengründen einfach stehen gelassen. Diese fielen jetzt fast alle in sich zusammen.
Bis zum späten Mittwochabend wurden 23 Nachbeben gemessen. Die Geologen gingen aber nicht davon aus, dass es noch zu schweren Nachbeben kommt. Präsident Enrique Peña Nieto wandte sich in einer landesweit übertragenen Rede an die Bevölkerung und nannte erstmals eine Zahl der Geretteten: Demnach konnten 50 Menschen in ganz Mexiko heil aus den Trümmern gerettet werden. Nach ergänzenden Angaben des Zivilschutzes kamen 250 Menschen ums Leben, 115 davon alleine in der Hauptstadt. Und knapp ein Fünftel der Opfer wurde unter der Grundschule „Enrique Rébsamen“begraben, wo mindestens 25 Lehrer und vor allem Kinder starben.
Große Solidarität
Am Mittwoch und Donnerstag herrschte in weiten Teilen der Hauptstadt der Ausnahmezustand. In den Stadteilen Roma, Condesa, Coapa, Doctores und Del Valle suchten professionelle Retter und die hilfsbereite Bevölkerung mit großem Enthusiasmus nach Überlebenden. Menschen schleppten Säcke voller Medikamente, Batterien und Wasser zu den zahlreichen Sammelstellen. Junge und Alte hatten sich mit einem Helm und einer Spitzhacke bewehrt und boten sich an, in den eingestürzten Gebäuden nach Verschütteten zu suchen.
„Die Solidarität ist das Beste, was wir Mexikaner haben“, sagte Roberto García, ein Student, der in der Condesa Brote für die Polizisten, Soldaten, Feuerwehrleute und professionellen Helfer schmierte. Ricardo Cayuela schrieb in den sozialen Netzwerken: „Mein Gebäude ist beschädigt, meine Familie zerstreut und erschrocken, aber ich sehe die Energie der Menschen und weiß, dass wir unschlagbar sind. Ein Hoch auf Mexiko“.