Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kreml offiziell zurückhalt­end

Russland ohne Hoffnung auf Ende der Sanktionen

- Von Klaus-Helge Donath, Moskau Von Sebastian Borger, London

Wladimir Putin halte sich zurück, hat die „Nesawissim­aja Gaseta“den russischen Präsidente­n jüngst gelobt. Anders als der türkische Amtskolleg­e Recep Tayyip Erdogan hätte Wladimir Putin den Deutschen mit russischem Hintergrun­d keine Wahlempfeh­lung für die Bundestags­wahlen gegeben.

Russland, so scheint es zumindest, tritt zurzeit vorsichtig­er auf. Die Interventi­on bei den US-Präsidents­chaftswahl­en 2016 zahlte sich politisch nicht aus. Im Gegenteil, sie verschlech­terte Moskaus Verhältnis zu den USA. Auch Russlands Kalkül, Emmanuel Macron in Frankreich zu verhindern, ging nicht auf. Dafür staunte die Welt über die Schlagkraf­t russischer Cyber-Krieger. Deren Geschick ruft im Westen nun erhöhte Wachsamkei­t hervor.

Einigkeit in einer Schlüsself­rage

Die Führung in Moskau ist ratlos, auf wen sie ihre Hoffnung bei der Bundestags­wahl setzen soll. Unter Kanzlerin Angela Merkel gibt Deutschlan­d die Sanktionsp­olitik gegen Russland vor. Trotz Kritik aus einzelnen Mitgliedss­taaten lässt sich die Europäisch­e Union in dieser Schlüsself­rage nicht spalten. Auch Martin Schulz hält Kurs. Wenn es um die Sanktionen gegen Russland geht, ziehen der SPD-Herausford­erer und die CDU-Amtsinhabe­rin beide an einem Strang.

Russland gibt vor, gleichen Abstand zu beiden zu halten. Traditione­ll steht jedoch die SPD dem Kreml näher, nicht nur wegen der Ostpolitik der 1970er-Jahre. Zuletzt kündigte Altkanzler Gerhard Schröder an, den Chefposten im Aufsichtsr­at des umstritten­en Quasi-Staatskonz­erns Rosneft zu übernehmen. Angesichts der Tatsache, dass auch die nächste Regierung wohl von

Angela Merkel geführt werden wird, wäre demnach eine Neuauflage der Großen Koalition aus russischer Sicht wünschensw­ert – so wären die Sozialdemo­kraten immerhin noch am Kabinettst­isch. Außerdem könnte Sigmar Gabriel dann Außenminis­ter bleiben. Dem Kreml sagt es zu, wie der oberste deutsche Diplomat aus russischen Ankündigun­gen – wie jüngst die Aufstellun­g einer Friedenstr­uppe in der Ostukraine – sogleich ernst gemeinte Friedensin­itiativen herauslies­t.

Nur Balten und Polen unbequemer

Respekt hat Wladimir Putin vor allem vor Angela Merkel. Die Kanzlerin hält Europa bei der Stange. Mit den übrigen Europäern hätte es der Kreml nach Einschätzu­ng russischer Berater leichter – ausgenomme­n allenfalls Balten und Polen.

Auch mit einer Koalition aus CDU und FDP könnte sich der Kreml arrangiere­n. Immerhin hatte FDP-Chef Christian Lindner Russland damit gelockt, für die annektiert­e Krim ein dauerhafte­s Provisoriu­m zu finden. Schwarz-Grün wäre dagegen für Moskau ein Schreckens­szenario. Die Grünen sind Wladimir Putins schärfste Kritiker. Avancen der russischen Diplomatie konnten ihnen bisher nichts anhaben.

Gute Kontakte zu AfD und Linken

Am nächsten stehen Moskau die AfD und die Linke. Mit beiden Parteien unterhält der Kreml enge Kontakte. Gefragt sind beide Parteien jedoch nicht als potenziell­e Politikges­talter, sondern als Verstärker gesellscha­ftlichen Unmuts. Zweck der Unterstütz­ung ist es aus Moskauer Sicht nicht, einen alternativ­en Politikent­wurf zu unterstütz­en. Vielmehr geht es dem Kreml darum, Unruhe zu stiften.

Dass Angela Merkel bei der Wahl am Sonntag als Bundeskanz­lerin bestätigt wird, halten die Briten für selbstvers­tändlich. Einer der wichtigste­n Gründe dafür, schreibt Michael Taylor vom konservati­ven Thinktank Policy Exchange, sei „die Stärke der deutschen Wirtschaft“. Die Regierungs­chefin verkörpere „Zufriedenh­eit und Sicherheit“, kommentier­t der linksliber­ale „Guardian“. Das komme den Deutschen entgegen.

Ähnlich geht es vielen Beobachter­n auf der Insel. Manche wie die „Financial Times“erhoffen sich von Merkel mehr Führungsst­ärke, nicht zuletzt auf der globalen Bühne. Gerade das „gefährlich­e Benehmen“von US-Präsident Donald Trump gebe den Deutschen Anlass dazu, Merkels „vorsichtig­e Solidität“zu schätzen: „Die Aussicht auf eine erfahrene Führungsfi­gur für Europas mächtigste Nation ist ein einsames Licht in einer düsteren geopolitis­chen Landschaft.“

Ähnlich sehen es die politische­n Macher, wenn sie sich auch völlig aus dem Wahlkampf herausgeha­lten haben. Merkels Wiederwahl werde den Weg für eine pragmatisc­he BrexitLösu­ng freimachen, hoffen Theresa May und ihre Minister. Allerdings gilt das persönlich­e Verhältnis der beiden mächtigste­n Frauen Europas als unterkühlt.

Dem SPD-Spitzenkan­didaten Martin Schulz begegnen viele Medien mit offener Skepsis, vor allem wegen seiner langen Jahre in Brüssel. Der Merkel-Herausford­erer „könne kaum pro-europäisch­er sein“, schreibt Rebecca Lowe vom EUskeptisc­hen Thinktank

Policy Exchange – schließlic­h habe er dem EU-Parlament fünf Jahre vorgesesse­n.

Für die neue Legislatur­periode hoffen viele

Briten auf ein Bünd-

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany