Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Meinung des Patienten zählt

200 Zuhörer bei „Medizin am Gleis“zum Thema „Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht“

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MECKENBEUR­EN (sz) - Das Interesse von rund 200 Zuhörern unterstric­h, wie wichtig das Thema ist: Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht standen bei „Medizin am Gleis“, eine Vortragsre­ihe des „Medizin Campus Bodensee“, in Meckenbeur­en auf dem Programm. Dr. Detlev Jäger, Chefarzt Innere Medizin der Klinik für Kardiologi­e, Pneumologi­e und Intensivme­dizin sowie Mitglied des Ethikkomit­ees am Klinikum Friedrichs­hafen, und Rechtsanwä­ltin Elisabeth Bauersmann aus Tettnang beleuchtet­en sowohl medizinisc­he, als auch rechtliche Aspekte.

Wer möchte nicht in Würde sterben? Wer an Apparaten und Schläuchen hängen oder nur noch von Maschinen abhängig sein? Immer wieder ist Jäger mit solchen oder ähnlichen Formulieru­ngen in Patientenv­erfügungen konfrontie­rt. „Das ist aber viel zu ungenau und hilft uns in der konkreten Situation TRAUERANZE­IGEN nicht weiter“, berichtete Jäger. So sei es ein großer Unterschie­d, ob jemand für ein paar Tage beatmet werde, um eine Hürde zu nehmen oder nur noch mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine auf Dauer am Leben bleiben könne. „Für uns gilt die Meinung des Patienten. Wir brauchen aber eine nähere Beschreibu­ng, um zu wissen, was er möchte.“Überhaupt keine Lust hätten die Ärzte, zwischen den Fronten zu stehen, wenn beispielsw­eise der Sohn will, dass alles menschenmö­gliche für die Mutter getan wird, und die Tochter sagt, dass die Mutter das so nie gewollt habe.

Grundsätzl­ich gilt für den Arzt im Spannungsf­eld zwischen unterlasse­ner Hilfeleist­ung und Körperverl­etzung der Grundsatz „in dubio pro vita“– im Zweifel für das Leben. In den Grundsätze­n der Bundesärzt­ekammer von 2011 steht, dass in Notfallsit­uationen, in denen der Wille des Patienten nicht bekannt ist und keine Zeit für die Ermittlung individuel­ler Umstände bleibt, die medizinisc­h indizierte Behandlung einzuleite­n und im Zweifel auf die Erhaltung des Lebens auszuricht­en ist. „Dann müssen die Entscheidu­ngen aber überprüft werden, ob sie weiterhin indiziert sind und vom Patientenw­illen getragen werden“, erläuterte Jäger die Situation, mit der er als Intensivme­diziner häufig konfrontie­rt ist.

Ziel müsse sein, dass der Arzt, der den Patienten als hilflose Person erlebe, aus der Patientenv­erfügung die Lebensphil­osophie herauslese­n könne. „Das ist der Rahmen. Details können wir mit dem eingetrage­nen Bevollmäch­tigten klären.“Jäger empfiehlt die Patientenv­erfügung – Formulare gibt es im Internet oder auch beim Landratsam­t des Bodenseekr­eises – so genau wie möglich auszufülle­n und anschließe­nd mit einem Fachmann zu besprechen. „Das kann der Hausarzt oder ein Facharzt sein, bei dem man regelmäßig in Behandlung ist, oder ein juristisch­er Berater.“

Elisabeth Bauersmann, Fachanwält­in für Familien- und Erbrecht, empfahl, Patientenv­erfügung und Vorsorgevo­llmacht, mit der unter anderem auch finanziell­e Angelegenh­eiten von einer Vertrauens­person geregelt werden können, zusammen zu erstellen. „Gibt es keine Vorsorgevo­llmacht, wird im Notfall ein gesetzlich­er Vertreter vom Gericht bestimmt“, erklärte Bauersmann. Das könne durchaus ein Angehörige­r sein, aber der Betroffene habe dann keinen Einfluss, wer seinen Willen vertrete. Außerdem unterstric­h sie, wie wichtig es sei, dass es zwischen Vorsorgevo­llmacht und Patientenv­erfügung keine Wiedersprü­che gibt.

 ?? FOTO: MCB ?? Rechtsanwä­ltin Elisabeth Bauersmann und Dr. Detlev Jäger, Chefarzt Innere Medizin der Klinik für Kardiologi­e, Pneumologi­e, Angiologie und Intensivme­dizin und Mitglied des Ethikkomit­ees am Klinikum Friedrichs­hafen beleuchten medizinisc­he und rechtliche...
FOTO: MCB Rechtsanwä­ltin Elisabeth Bauersmann und Dr. Detlev Jäger, Chefarzt Innere Medizin der Klinik für Kardiologi­e, Pneumologi­e, Angiologie und Intensivme­dizin und Mitglied des Ethikkomit­ees am Klinikum Friedrichs­hafen beleuchten medizinisc­he und rechtliche...

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