Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Polizisten dürfen tätowiert sein
Ministerium reagiert auf „gesellschaftlichen Wandel“– Kritik der Gewerkschaft
STUTTGART (lsw) - Die rund 24 000 Polizisten in Baden-Württemberg dürfen sich bald auch Tätowierungen stechen lassen, die nicht von der Uniform verdeckt werden. Die Regelung soll laut Innenministerium noch 2017 in Kraft treten. Betroffen sind vor allem Tattoos an Ober- und Unterarmen, die bislang verboten waren, weil man sie bei kurzem Hemd im Sommer sehen kann. Diese Tattoos sollen erlaubt werden, müssen jedoch von der Größe und vom Motiv her „dezent“sein.
RAVENSBURG - Polizisten in BadenWürttemberg dürfen sich künftig auch Tattoos stechen lassen, die nicht von der Uniform bedeckt werden. Das bestätigte ein Sprecher des Stuttgarter Innenministeriums der „Schwäbischen Zeitung“auf Nachfrage.
„Bisher mussten Beamte, die zum Beispiel ein Tattoo auf dem Unterarm haben, lange Dienstkleidung tragen, um es zu verdecken. Diese Regel wird jetzt gelockert“, erklärt ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums im Gespräch mit unserer Zeitung. Die neue Regel lasse sichtbare Tätowierungen im Bereich der Ober- und Unterarme sowie der Hände zu, solange sie „dezent“seien.
Frage der Vertrauenswürdigkeit
Die Tattoos dürfen aber weiterhin nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen, dürfen also „nicht diskriminierend, gewaltverherrlichend oder gesetzlich verboten sein“. Auch Tätowierungen beispielsweise im Gesicht sind weiterhin nicht erlaubt. Die Polizisten müssen einen „achtensund vertrauenswürdigen Eindruck machen“, sagt der Sprecher des Innenministeriums.
Für Neueinstellungen bei der Polizei gelten diese Regeln bereits seit Anfang des Jahres. Eine eigens dafür eingerichtete Kommission soll im Einzelfall entscheiden, ob die Tattoos der Bewerber den Leitlinien der Polizei entsprechen.
„Neu ist, dass die Regelung für Beamte, die bereits im Dienst sind, auch gelockert wird. Das soll im Laufe dieses Jahres geschehen, wenn wir die Leitlinien insgesamt überarbeitet haben“, sagt der Sprecher. Damit will die Polizei auf einen gesellschaftlichen Wandel reagieren, in dem Tattoos „fast schon üblich“seien. Während die Körperkunst früher „etwas sehr außergewöhnliches war und nur in bestimmten Milieus vorkam“, sei sie mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert. Die Einstellung fähiger Bewerber solle nicht daran scheitern, dass sie ein Tattoo hätten.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hält die neue Regel für zeitgemäß. Doch es gebe Grenzen: „Die Polizistin, der Polizist verkörpert den Staat, den Rechtsstaat – da geht nicht alles. Aber rigoros zu sagen, wegen eines kleinen Tattoos kann jemand grundsätzlich nicht zur Polizei – das geht auch nicht mehr.“
Löwenkopf ist Fall fürs Gericht
Ende August hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf auch größere Tattoos auf Unterarmen von nordrheinwestfälischen Polizisten erlaubt. Geklagt hatte ein Polizei-Bewerber, der sich auf den Unterarm das Bild eines Löwenkopfes hatte stechen lassen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, das Land Nordrhein-Westfalen hat gegen den Richterspruch Beschwerde eingelegt.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht die gelockerten Regeln kritisch. Die neuen Vorgaben seien nicht notwendig, sagt der badenwürttembergische Landesvorsitzende Ralf Kusterer. Vielmehr folge das Innenministerium damit Gerichtsurteilen, die zugunsten von tätowierten Beamten ausgefallen seien.
Kusterer kritisiert insbesondere die geplante Kommission, die über strittige Tattoos entscheiden soll: „Ich gehe davon aus, dass das nicht unproblematisch laufen wird.“Da die neuen Vorgaben keine klaren Grenzen setzten, seien Rechtsstreitigkeiten absehbar.