Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gemeinsames Mahl an einem 400 Meter langen Tisch
Ökumenische Initiative in Ravensburg setzt im Reformationsjubiläumsjahr ein beeindruckendes Zeichen
RAVENSBURG - Ein langer, weiß gedeckter Tisch quer durch die Stadtmitte hat am Sonntag die katholische Liebfrauenkirche mit der Evangelischen Stadtkirche verbunden und die ortskirchliche Gastfreundschaft veranschaulicht. Im Rahmen der Initiative „Vom Trennen zum Teilen – Abendmahl für alle“laden sich in Deutschland erstmals die beiden Kirchen in einer „Ravensburger Erklärung“offiziell zu Kommunion und Abendmahl ein.
Der katholische Pfarrer Hermann Riedle freute sich riesig über die vielen Menschen vor der Liebfrauenkirche, die trotz der rauen Witterung an der von Ehrenamtlichen getragenen Aktion teilnahmen. Riedle sprach einen wunden Punkt an, ehe er um Gottes Segen bat: „Welchen Gottesdienst sollen konfessionsverbindende Eheleute besuchen, wohin mit ihren Kindern gehen?“
Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp erinnerte an einen historischen Höhepunkt der Stadt Ravensburg, die sich im Jahr 1555 als erste für ein paritätisches Zusammenleben der Konfessionen entschieden hatte. Rapp dankte allen für den Mut, jetzt wieder ein verbindendes Zeichen zu setzen. „Lasst uns den Skandal der Trennung überwinden“, ermunterte Theodor Pindl, Theologe und Sprecher der Vorbereitungsgruppe, die Anwesenden. Von nah und fern seien Gäste gekommen, unter anderem von Freiburg, Stuttgart, der Partnerstadt Coswig und aus dem Schweizer Kanton St. Gallen, sagte er. Landesvater Winfried Kretschmann und Norbert Lammert, Noch-Präsident des Deutschen Bundestages, ließen herzlich grüßen.
Musikalisch geleitet von der Dudelsackgruppe „Die Mehlsäcke“nahmen etwa 2000 Gäste an den 160 Tischen Platz. Sie waren mit Brot, Wein und Saft gedeckt und erstreckten sich über 400 Meter.
Um 12 Uhr läuteten die Glocken zu einem gemeinsamen Friedensgebet in Stille. Unter Regenschirmen fassten sich die Menschen an den Händen, waren gerührt und bewegt.
Gelebte Gastfreundschaft
Zwar wird Gastfreundschaft zwischen den Konfessionen vielen Gottesdiensten bereits praktiziert. Die katholische Kirche verbietet ihren Schäfchen aber die Einladung zum evangelischen Abendmahl anzunehmen und untersagt evangelischen Christen den Zugang zur Kommunion. Die Aktion „Vom Trennen zum Teilen – Abendmahl für alle“setzte dagegen ein lebendiges Zeichen. Während des gemeinsamen Mahls kamen die froh gestimmten Gäste miteinander ins Gespräch. „Ich finde das eine gute Sache“, betonte ein älterer Herr, der evangelisch getauft und katholisch verheiratet ist. „Wir wussten lange nicht mehr, wohin wir gehören“, erzählte die katholisch aufgewachsene, evangelisch verheiratete Isolde Leopold. Vor ein paar Jahren sei sie nach reiflicher Überlegung konvertiert. „Jetzt bin ich total ökumenisch unterwegs“, sagte sie.
In der Evangelischen Stadtkirche umrahmte der Ökumenische Chor Grünkraut die feierliche Unterzeichnung der Ravensburger Erklärung. Frauen der Arbeitsgruppe „Kirche lädt ein“lasen den Wortlaut vor: „Hier vor Ort beginnen wir mit einer einladenden Kirche, indem wir uns offen und herzlich zu Kommunion und Abendmahl einladen“, heißt es unter anderem. Nach einem gemeinsam gesprochenen „Vater unser“und einem zusammen gesungenen Lied unterzeichneten Pfarrer Hermann Riedle und sein evangelischer Kollege, Pfarrer Martin Henzler-Hermann, als Erste die Erklärungsurkunden. Die Vorsitzenden der katholischen und evangelischen Kirchengemeinderäte und Oberbürgermeister Daniel Rapp folgten. Im Anschluss konnten alle die Ravensburger Erklärung unterzeichnen. Ein feierlicher Segen bekräftigte den hoffnungsvollen Entschluss.
ökumenischen Arbeitsgruppen „Kirche lädt ein“und „Kirche in der Stadt“an jedem ersten Sonntag im Monat dazu, eine Menschenkette von der katholischen Liebfrauenkirche zur Evangelischen Stadtkirche zu knüpfen, um sich von katholischer Seite aus für die „wechselseitige Gastfreundschaft auf Augenhöhe“einzusetzen. Die „Ravensburger Erklärung“bildet das konkrete Ergebnis der zweijährigen Aktion.