Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ein konstruktiver Querdenker geht
Großer Abschied für Jürgen Mack am Seminar Meckenbeuren
MECKENBEUREN - Zur Verabschiedung von Jürgen Mack, der zum Ende des vergangenen Schuljahres in den Ruhestand ging, hat das Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Meckenbeuren am Donnerstagnachmittag im Kreis von Weggefährten eingeladen.
Selbst, wer Jürgen Macks Theaterarbeit seit Jahrzehnten kontinuierlich verfolgte, ihn als einen der Väter der „Theatertage am See“an der Bodenseeschule kannte, als den, der die parallel zur regulären Ausbildung laufende theaterpädagogische Ausbildung initiierte und leitete, lernte an diesem Nachmittag völlig neue Facetten kennen.
Jürgen Mack war am Seminar Bereichsleiter für Deutsch, war im Führungsteam des Seminars. Er war immer ein Unangepasster, sicherlich unbequem für seine Umgebung, fordernd, Leistung verlangend. Als den wohl letzten 68er am Seminar wurde er bezeichnet. In launigen Videosequenzen charakterisierten ihn seine Bereichsleiterkollegen als offen, ehrlich, menschlich, zupackend, impulsiv, konstruktiv, als tiefsinnigen Querdenker mit Visionen.
Direktor Karl Handschuh nannte Macks Zielstrebigkeit, sein Bemühen um Bildungschancen für alle, um eine Aufgabenkultur, und ganz besonders seine Verdienste um die Theaterpädagogik. Für den Personalrat berichtete Ulrike Fuchs vom schier unübersehbaren Netzwerk, das Mack im Profilbereich Theater aufgebaut hatte.
„Anders, größer, neu denken“, so sah sie ihn. „Ich hab’ mich euch so oft und so lang zugemutet, ich mach’s noch mal“, sagte er zuletzt und blickte offen auf seinen Weg, auf knapp 45 Jahre im Lehrberuf und 23 Jahre am Seminar, zurück.Aus Baiersbronn im Nordschwarzwald stammend, begann er seinen Zivildienst in Auschwitz, habe das aber nur wenige Wochen durchgehalten, wie er freimütig bekannte. „Alles, nur nicht Lehrer“, habe er anfangs gedacht, doch ein Vortrag Adornos zum Thema „Erziehung nach Auschwitz“habe sein Leben verändert. Jetzt wollte er Hauptschullehrer werden, ging an die PH Reutlingen und suchte sein Praxisfeld in einer Obdachlosensiedlung. Damals schon lernte er Norbert Zeller als Freund kennen. Da die Bodenseeschule als die reformpädagogische Schule Baden-Württembergs galt, ging er mit 25 dorthin: eine schwierige Zeit, die dazu zwang, mutig neue Wege zu gehen und andere Unterrichtsformen zu entwickeln. Damals habe er schon mit Theater anfangen können. Nach 20 Jahren suchte er den Wechsel, aber „bloß nicht ans Seminar“. Vor die Alternative einer Stelle auf der Schwäbischen Alb gestellt, „schluckte er die Kröte doch“. Sehr schnell konnte er seine Kompetenz erweitern, sein Netzwerk ausbauen. Bestens sei die Zusammenarbeit mit den Direktoren Siegbert Groß und Karl Handschuh gelaufen, die ihm viel Freiraum einräumten. Ob Ansätze zur Gemeinschaftsschule oder viele gewichtige Beiträge zur Fachdidaktik Deutsch – Mack war ein weitum sehr gefragter Referent.
Öffentlich in Erscheinung getreten ist er durch die „Theatertage am See“in der Bodenseeschule, eine Herausforderung, die fast übermenschliche organisatorische Anstrengung bedeutete. Es machte schon vor Jahren Spaß zu sehen, wie da improvisiert wurde, mit welchem Elan gearbeitet wurde. Die Teilnehmer kommen nicht nur aus Deutschland, sondern immer wieder auch aus Osteuropa. Es war und ist ein Fest der Angefressenen, mit vielen Aufführungen, mit Workshops und Diskussionen, mitgetragen von Schulleiter Gerhard Schöll der Bodenseeschule. Bald lief die theaterpädagogische Ausbildung für die Lehreranwärter am Seminar an, die trotz der hohen Anforderungen immer besser lief. Über 400 Teilnehmer liefen durch die Theaterausbildung, gaben als Multiplikatoren ihr Wissen weiter. Am Ende jedes Kurses stand jeweils die Aufführung, ein Highlight, an dem der ganze Kurs beteiligt war, zuletzt im Juni Goethes Faust. Jürgen Mack hat es auch vertragen, wenn in der Kritik kritische Töne anklangen. Dass er für seine herausragende Arbeit 2010 das Bundesverdienstkreuz bekam, spricht Bände: „Es ist allen zu verdanken, die die Theaterarbeit ermöglicht haben“, sagt er bescheiden. Vor allem weil Ehemalige drängten, gründete er 2009 auch das Theater Oberschwaben-Bodensee TOB, das 2013 mit seiner „Hommage an Loriot“den deutschen Amateurtheaterpreis gewann. Man darf davon ausgehen, dass Jürgen Mack weitermachen wird – auf deutliche und ehrliche Bitten versprach er gerne seine weitere Beratung und Unterstützung.