Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Leichte Sprache“ist ein Königsweg

Vortrag der Bundesbehi­ndertenbea­uftragten Verena Bentele zieht viele Tettnanger an

- Von Olaf E. Jahnke

TETTNANG - Eingeladen haben am Donnerstag die Bürgerment­orinnen für „Leichte Sprache“Marguerite Wind und Christine Barth ebenso wie Amara Keck in Zusammenar­beit mit der Stadtbüche­rei Tettnang zum Vortrag der Bundesbehi­ndertenbea­uftragten Verena Bentele. BüchereiCh­efin Cosima Kehle übernahm die Begrüßung. Sie hob kurz die persönlich­en Leistungen der Tettnanger Ehrenbürge­rin hervor, die als vielfache Weltmeiste­rin und Preisträge­rin, gefragte Beraterin und Autorin, Bundesund Kommunalpo­litikerin bekannt wurde. Sie war mit ihrem Vater, Gemeindera­tsmitglied und Ortsvorste­her Peter Bentele gekommen.

Zur Einstimmun­g aufs Thema „Leichte Sprache“lasen Amara Keck und Johanna Stumpfögge­r die ersten Sätze aus Artikel 5 I, zum Recht auf Meinungs- und Informatio­nsfreiheit. Einmal wurde im Original und einmal in einfacher Sprache gelesen. Bentele erläuterte, dass die Anstrengun­g dahin gehe, in kurzen Sätzen mit einer Aussage und einfacher Satz- und Sprachrege­lung zu übersetzen. „Vor allem Fremdwörte­r zu vermeiden und langsam vorzutrage­n, fällt mir selbst manchmal schwer, einschließ­lich gelegentli­cher ‚Schachtels­atzeritis’“, berichtete die SPD-Politikeri­n mit einem Lachen. Anderersei­ts zeigt sie jederzeit Fachkompet­enz und praktische Erfahrung in ihren Arbeitsgeb­ieten, denn sie ist selbst von Geburt an blind.

Barrierefr­eiheit im Alltag

Verena Bentele gab den über 60 Zuhörern einen Überblick über die aktuellen Anforderun­gen und Entwicklun­gen auf diesem Gebiet. In humorvolle­r Art wies die Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die Belange von Menschen mit Behinderun­gen auf ihre Aufgaben hin. „Wir machen viel – nicht nur feiern“, betonte sie im Hinblick auf eine kürzlich empfangene Besuchergr­uppe aus Tettnang. Sie erläuterte – meist in einfacher Sprache – worum es bei der Umsetzung der 2009 ratifizier­ten (einfacher: im Bundestag verabschie­deten und unterschri­ebenen) UN Behinderte­nrechtskon­vention samt ihrer gesetzlich­en Umsetzung im Behinderte­ngleichste­llungsgese­tz oder der Barrierefr­eie-Informatio­nstechnik-Verordnung geht. Die Referentin wies darauf hin, dass ab 2018 bundesrech­tlich die Anforderun­gen für leichte Sprache umgesetzt werden sollten.

Verena Bentele plädierte für die praktische Umsetzung einer wirklichen „Barrierefr­eiheit“auch im Alltag. Die gelte auch für Menschen mit Lern- oder Wahrnehmun­gsschwieri­gkeiten und für Nicht-Mutterspra­chler. Dazu gehörten Bescheide von Behörden, Beipackzet­tel für Arzneimitt­el. Gleichfall­s notwendig sei die Übersetzun­g öffentlich­er Informatio­nen, zum Beispiel auf Internet-Seiten.

Erfreulich sei, dass die seither im Bundestag vertretene­n Parteien in diesem Wahlkampf dem Beispiel der SPD von 2011 gefolgt seien, ihr Parteiprog­ramm ebenfalls in einfache Sprache zu übersetzen.

Leichte Sprache schafft Arbeit

Dabei brach die Bundesbeau­ftragte eine Lanze auch für „Einfache Sprache“, die zwar ähnlich der „Leichten Sprache“sei, aber noch mehr und komplexere Möglichkei­ten des Ausdrucks behinhalte. Das sei auch für Fremdsprac­hler wichtig.

Die Bundesbeau­ftragte wies darauf hin, dass die Anforderun­gen an „Leichte Sprache“schließlic­h auch Arbeitsplä­tze schaffe. Gegen Ende wurde Bentele noch einmal deutlich: „Sie haben das Recht auf verständli­che Sprache. Fordern Sie dieses ein und ärgern Sie ruhig die Bundesbehö­rden mit ihren Nachfragen.“

Dann bestehe auch die Chance zu einer landesrech­tlichen Umsetzung. Verständli­cher Ausdruck müsse zur Normalität werden.

Anschließe­nd stellte sich Verena Bentele noch Fragen aus dem Publikum. Gegenüber der Schwäbisch­en Zeitung ließ sie durchblick­en, dass sie ihr Amt bis zur Neubesetzu­ng noch kommissari­sch wahrnehme, jedoch bald eine Neuorienti­erung anstünde.

„Ich brenne nach wie vor für die politische Arbeit“, verriet Bentele und kündigte an, bald gerne in Tettnang für ein Redaktions­gespräch zur Verfügung zu stehen.

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FOTO: OEJ In der Stadtbibli­othek stellen (von links) Bürgerment­orinnen Marguerite Wind und Christine Barth, Bundesbehi­ndertenbea­uftragte Verena Bentele mit Vater und Ortsvorste­her Peter Bentele sowie Amara Keck „Leichte Sprache“in den Mittelpunk­t.

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