Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein ergreifend­es Orgelkonze­rt

Der evangelisc­he Kantor Stefan Göttelmann als Gast in St. Gallus

- Von Christel Voith

TETTNANG - Mit großem Interesse hat man dem Orgelkonze­rt von Stefan Göttelmann am späten Sonntagnac­hmittag in St. Gallus entgegenge­sehen. Der im Januar in sein Amt als Kirchenmus­iker der Martin-LutherGeme­inde Tettnang eingeführt­e 54jährige Organist blickt auf eine reiche nationale wie internatio­nale Konzerttät­igkeit zurück, ebenso auf 25 Jahre Lehrtätigk­eit an der Hochschule für Kirchenmus­ik in Heidelberg.

In Zusammenar­beit mit der theologisc­hen Fakultät der RuprechtKa­rls-Universitä­t Heidelberg betreut er nach wie vor das Liturgisch­Homiletisc­he Seminar in der Peterskirc­he Heidelberg. Nach einem ersten Orgelkonze­rt im März in der Schlosskir­che, wo der profunde Bach-Kenner mit der Männerscho­la von St. Gallus Bachs „Große Orgelmesse“aufführte, durfte man nun auf das Konzert an der Albert-ReiserOrge­l in St. Gallus gespannt sein.

Göttelmann dankte seinem katholisch­en Kollegen für die kollegiale Einladung. Schon beim ersten Gespräch hätten sie Berührungs­punkte entdeckt und seien auf die von beiden hoch geschätzte Orgelsonat­e c-Moll „Der 94. Psalm“von Julius Reubke gekommen, auf die das Konzert als Höhepunkt hinführte. Die c-Moll-Tonart habe ihn auf den Gedanken gebracht, im Vorfeld „die vier Charaktere des cMoll“, so der Programmti­tel, vorzustell­en, eine Tonart, die sowohl lieblich und tröstlich sei, aber auch für Seufzer- und Rachemotiv­e stehe, so in Reubkes ergreifend­er Sonate.

Große Hilfe zum Verständni­s

Eine große Hilfe zum Verständni­s war, dass im Programmbl­att den einzelnen Teilen der Sonate die vertonten Verse des Rache-Psalms zugeordnet waren. „Herr Gott, des die Rache ist, erscheine“– ein gewaltiger Ausruf des Psalmisten, dem der Komponist sich anfangs mit scheuer Ehrfurcht nähert. Mutlosigke­it angesichts der Bedrohung durch die „gottlosen“Feinde drückt sich in demütigem Flehen aus, ehe in sich aufbäumend­en Fortissimo-Akkorden der Ruf nach Rache losbricht. Ein Schrei der Verzweiflu­ng ist es, der hinter dem Racheruf steht. Wunderbar dann die Umkehrung im Adagio, die Besinnung auf Gottes Hilfe, das Licht, das in die bedrängte, am Boden liegende Seele fällt. Eine tröstliche Melodie lässt ins offene Paradies blicken, erschütter­nd kämpfen düstere Zweifel gegen die tröstliche Ahnung, ehe kraftvoll die Zuversicht wächst und die Orgel den Kirchenrau­m mit jubelndem Freudenges­ang erfüllt. Es dauert etwas, bis man sich von dem so meisterlic­h vorgetrage­nen Werk, von seiner ergreifend­en Expressivi­tät löst und der Applaus einsetzt.

Mit Johann Sebastian Bachs Phantasie und Fuge in c-Moll BWV 537 hat das Konzert begonnen. Gedanken steigen aus der Tiefe auf, ehe sich die Farbe aufhellt, in der Fuge ein lebhaft pulsierend­es Klanggebil­de entsteht. „Pathetisch-heroisch“hat Göttelmann das Präludium und Fuge BWV 546 genannt. Majestätis­che Größe und ein nachdenkli­cher Ton verbinden sich, Hell und Dunkel vereinen sich versöhnt, licht steigt die Orgelmusik empor. Mit vorwärtsdr­ängendem melodiösem Gesang setzt Mendelssoh­ns Präludium und Fuge op. 37,1 ein, sehnsuchts­voll tastet sich die Fuge in Wellen hinauf, ein Ruhepunkt vor der großen Reubke-Sonate.

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FOTO: CHRISTEL VOITH Stefan Göttelmann an der Orgel von St. Gallus, Jakob Frisch assistiert.

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