Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Warum schlechtes Deutsch trotzdem richtig sein kann
„I bims“zum Jugendwort des Jahres 2017 gekürt
BERLIN (KNA) - Das Jugendwort des Jahres, das vom Langenscheidt-Verlag gekürt wird, hat oftmals gar nichts mit dem tatsächlichen Wortschatz und Sprachgebrauch junger Menschen zu tun. Diesmal ist das anders: Die gekürte Wendung „I bims“ist tatsächlich sehr präsent – vor allem im Internet. Eine 20-köpfige Jury hatte die Phrase gewählt. Unter den weiteren Kandidaten war „geht fit“als Bezeichnung für etwas, das klar geht, und „napflixen“für ein Nickerchen während eines Films.
„Halo, I bims und i wünsche 1eng schöneng Tag“– was aussieht wie ein von Fehlern nur so strotzender Satz, liest man im Netz mittlerweile immer öfter. Die sogenannte „VongSprache“ist in der Netzkommunikation gerade bei jungen Menschen sehr beliebt. Als Füllfloskel wird die Konstruktion „vong…her“gerne an Sätze angehängt, etwa „Das Wetter ist schön, vong Sonnenschein her“. Bei solchen Formulierungen scheint es nicht verwunderlich, dass sich einige um die deutsche Sprache sorgen und ihren Verfall fürchten.
Doch die Germanistin Angelika Storrer gibt Entwarnung. „Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Sprache lange hält oder in Bereiche übergreift, in denen das Standarddeutsche eigentlich angebracht wäre“, sagte sie kürzlich bei einer Podiumsdiskussion der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in der Hauptstadt.
Dort wurde der zweite Bericht zur Lage der deutschen Sprache vorgestellt. Dieser fasst unter dem Titel „Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache“den Forschungsstand zu Regionalsprachen, Jugendsprache, dem Deutsch von Migranten, Alltagsund Internetsprache zusammen.
Storrer hat sich intensiv mit der Internetsprache befasst und beispielsweise zahlreiche Chatverläufe untersucht. Das Phänomen, Rechtschreib-, Grammatik- oder Schreibfehler zu fingieren, könne man häufig in der Netzsprache finden. Auch die „Vong-Sprache“bediene sich neben jugendsprachlichen und englischen Elementen dieser absichtlichen Fehler. „Indem man diese Fehler überspitzt darstellt, wehrt man sich gegen sie“, so die Wissenschaftlerin. Zuletzt wurde die „Vong-Sprache“auch medial und von Künstlern gehypt. So brachte der Satiriker Shahak Skapira im August die Bibel in „Vong-Sprache“heraus: die „Holyge Bimbel“– mit dem Untertitel „Storys vong Gott u s1 Crew“.
Netzkommunikation als Chance
Bei der Bewertung von Sprache warnen Experten bisweilen vor Herabwürdigung – etwa, wenn es um von Migranten gesprochenes Deutsch angeht. Aussprüche wie „Ich schwör, Alda“oder „Ich geh Aldi“seien nicht schlechter oder besser als andere Konstruktionen, so der Sprachwissenschaftler Norbert Dittmar: „Es ist einfach eine andere Art, sich zu äußern.“Präpositionen oder Artikel könnten in bestimmten Fällen ausgelassen und durch den Kontext erschlossen werden. „Das Wichtigste ist trotzdem gesagt.“
Der Linguist Peter Eisenberg sieht in der Netzkommunikation eine Chance: „Der Prozentsatz der Analphabeten ist unter den jungen Leuten geringer.“Der Grund dafür sei der Umgang mit dem Computer. Wer nicht schreiben und so sein Tablet nicht bedienen könne, habe heute „ganz schlechte Karten“. „Die Tatsache, dass die Jugend mehr schreibt und liest, gräbt dem Analphabetismus das Wasser ab“, so der Wissenschaftler. Also: Kein Grund zur Sorge „vong Sprachverfall her“.