Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Glänzender Einstand für Julian Bucher
Dirigent legt mit Stadtkapelle Tettnang beeindruckendes Herbstkonzert hin.
TETTNANG – Einen glänzenden Einstand hat Julian Bucher am Samstagabend als neuer Dirigent der Stadtkapelle gefeiert. Helle Begeisterung schlug ihm, seinen Musikern und ihren Gästen, dem Tettnanger Frauenchor Allegro, beim Herbstkonzert in der Stadthalle entgegen.
Mit gutem Grund hat das Konzert mit zehnminütiger Verspätung angefangen: Der Andrang war so groß gewesen, dass eilig die Rückwand nach hinten verschoben und weitere 50 Stühle herbeigeschafft wurden, damit die rund vierhundert Zuhörer Platz fanden – erstmals an Tischreihen mit Bewirtung und damit ganz und gar kein trockenes Vergnügen.
Traditionsgemäß hat zuerst das Jugendblasorchester Tettnang sein beachtliches Niveau präsentiert. Unter Leitung von Ulrike Miller spielten nicht nur Jugendliche aus Tettnang samt Krumbach, Obereisenbach und Tannau, sondern auch Nachwuchsmusiker aus Eriskirch und Wilpoltsweiler. Liebenswürdig moderiert von Laura Walser und Louisa Dannecker stiegen sie mit Holsts Second Suite in F und englischen Folk-Melodien ein. Bestens meisterten sie den Wettstreit der hohen und tiefen Lagen, die Taktarten und Tempi, das Mit- und Ineinander der Register, die vorwärtsstürmende Dynamik im 4. Satz im Wechsel von „Greensleeves“und der „Fantasia on the Dargason“. Rasant spielten Max Appenmaier und Leo Pfender das vom Orchester begleitete „tödliche Duell“auf zwei Xylophonen. Ordentlich zur Sache ging es in Jim Steinmans „Tanz der Vampire“, schmissige und lyrische Passagen wechselten bis zur Punktlandung. Kein Wunder, dass das Trompetenregister sich Kurt Gäbles böhmische Polka „Wir Musikanten“als Zugabe gewünscht hatte, denn da kamen sie mitsamt dem übrigen Blech glänzend heraus.
Mit herrlichem Schwung ging’s nach dem Umbau in den ersten Block der Stadtkapelle, wo Jessica Mayer und Larissa Schmidhuber charmant moderierten. Man spürte sogleich, was Tobias Lutz bestätigte: Die Probephasen mit Julian Bucher hatten allen großen Spaß gemacht, mit Fachwissen, Geduld, Witz und Charme habe er sie geführt. Ergebnis war ein hinreißend dynamisches und zugleich elegantes Spiel. Auffallend im Programm war, dass es weniger auf Einzelleistungen als auf das Spiel der Register abgestimmt war, so wie in van der Roosts „Puszta“-Zigeunertänzen, wo abwechselnd Hörner und Trompeten, Flöten und Klarinetten, Saxofone und Schlagzeug hervortraten, um nur einige zu nennen. Soli glänzten vor allem in den Klezmer Classics von Johan de Meij, ob Martina Blaser am Akkordeon, Petra Schmidt an der Klarinette oder Angela Schneider an der Oboe.
„Für Frauen ist das kein Problem“
Auffallend war die Dramaturgie des ausgewogenen Programms: Vom schwungvollen Festmarsch ging’s zur sprühenden Dynamik der vielfarbigen Klezmermusik. Nach einem wunderbar lyrischen Ruhepunkt mit Thiemo Kraas’ Nachtstück „Abendmond“, in dem das tiefe Blech Harmonie und Geborgenheit ausströmte, entfaltete sich wieder sprühendes Temperament, erst in Johann Strauß Sohns Persischem Marsch, der mitPräzision und Transparenz auf Ende zu wirbelte, dann im Feuer der Puszta mit immer wilderen Crescendi.
Geht noch mehr Rhythmus und Dynamik? Ja, es geht – mit dem Mambo, der die letzte Runde eröffnete. Inzwischen hatten sich die Sängerinnen von Allegro hinter der Kapelle aufgebaut. Aus voller Kehle ließen sie unter der Leitung von Elke Sorg den Song „With a little help from my friends“strömen, leider per Lautsprecher, was die gewohnte Gesangskultur doch etwas nivellierte. Gut, dass Allegro als Überraschung vor dem Konzert schon im Foyer die Gäste singend empfangen hatte. Köstlich ihr Lied „Für Frauen ist das kein Problem“nach Max Raabe. Sehr eindrucksvoll war der von Stadtkapelle und Allegro gemeinsam dargebotene „Hymn to the Fallen“, der Hymnus an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Ohne Worte sang der Chor, in großer Ruhe und Feierlichkeit spielte das Blech, ein würdevolles Klanggemälde. Nicht minder stimmungsvoll war zuletzt der nach Lutz’ Dankesworten gemeinsam gesungene und gespielte „Lenas Song“aus dem Film „Wie im Himmel“. Mit Elke Sorg als Solistin folgte als Zugabe aus dem gleichen Film der bekannte „Gabriellas Song“.
„Wollt ihr’s fetzig oder ruhig?“, fragte Bucher, als das Klatschen nicht enden wollte. Klar, dass beides gewünscht wurde, und so gab’s zum Ausschnitte aus dem Mambo und aus Lenas Song. Die dreieinhalb Stunden waren nur so dahingeflogen.
Auf die Ehrungen geht die SZ noch gesondert ein.