Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kapitän tauscht Uniform gegen „Blauen Anton“
Schiffsführer und Crews der „Weißen Flotte“werden im Winter zu Handwerkern
FRIEDRICHSHAFEN - 2,3 Millionen Fahrgäste befördern die Bodenseeschiffs-Betriebe (BSB) mit ihren zwölf Motorschiffen und zwei Fähren jährlich über den Bodensee. Für ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit sind 30 Schiffsführer und ihre Crews verantwortlich. Sie nutzen die Winterpause, um klar Schiff zu machen.
Seit Mitte Oktober liegen die Schiffe der Flotte, abgesehen von den Fähren und den Katamaranen, in den Häfen Friedrichshafen, Lindau und Konstanz fest beziehungsweise sind im Trockendock der Werft aufgebockt. Nur zu der ein oder anderen Ausflugsfahrt in der Vorweihnachtszeit laufen sie aus. Für die Kapitäne und ihre Mannschaften bedeutet das bis zum Beginn der kommenden Saison im nächsten Frühling Landgang. Was aber nicht heißt, dass sie nichts zu tun hätten.
Ingo Flock macht sich mit zwei Schraubenschlüssel daran, im Herzen der „MS Konstanz“, dem Maschinenraum, die Anlasser der jeweils 600 PS starken Scania-Motoren auszubauen: „Die kommen jetzt in die Werft und werden dort überprüft und gegebenenfalls überholt, so wie andere Motorteile auch.“Der 50-jährige Häfler ist einer der Schiffsführer, die jetzt ihre Kapitänsuniform für etwa ein halbes Jahr gegen einen „Blauen Anton“, einen Arbeitsanzug, eintauschen. Zwar muss er noch einige Fahrten mit Fähre und Katamaran absolvieren, aber ab dem 20. November ist er nur noch in der Werft.
Für den Kapitän, für den die Seefahrt ein Traumberuf ist, bringt die Winterzeit aber auch eine Abwechslung. „Da habe ich einen acht Stunden Tag von Montag bis Freitag und dadurch mal mehr Zeit für meine Familie“, meint er. Ingo Flock ist in Großenbrode auf der Insel Fehmarn aufgewachsen und hat gleich nach der Schule mit der Ausbildung zum Matrosen bei der Handelsschifffahrt in Rostock begonnen und ist danach sechs Jahre durchs Mittelmeer gefahren. „Das war noch Seeromantik pur, wenn du bis zu acht Monaten unterwegs warst“, erinnert er sich. Als Bootsmann ist er dann sieben Jahre auf der Hochseefähre zwischen Puttgarden auf Fehmarn und der dänischen Insel Lolland verkehrt. 1997 hat es ihn mit seinem Kollegen Hardy Maess an den Bodensee nach Friedrichshafen verschlagen. „Ich musste hier unten alles noch mal von vorne anfangen, allerdings war die Ausbildungszeit aufgrund meiner Vorkenntnisse verkürzt worden.“
2002 hat er für seinen „Traumberuf“beim Schifffahrtsamt Konstanz sein Patent gemacht und führt nach einem Jahr Begleitung seit 2003 die Schiffe als Kapitän in eigener Verantwortung. „Auf der Zeppelin fahre ich am liebsten, weil sie so was Majestätisches an sich hat“, sagt er. Für den Katamaran und die Fähre musste er noch weitere Einweisungslehrgänge machen, so dass er jetzt mit allen Schiffen der BSB fahren kann. Jedes hätte seine besonderen Eigenschaften und aus diesem Grund sei es für ihn gerade von besonderer Bedeutung im Winter in das Innenleben der Schiffe hineinzuschauen.
In der Häfler Werft, in der er gerade mit etwa 40 Crewmitgliedern zusammenarbeitet, gibt es Schlosser, Schreiner, Elektriker und Maler. „Ich bin bei den Schlossern und habe mir das Wissen durch learning by doing angeeignet“, erklärt er. So hätte er schon zahlreiche Zylinder aus- und wieder eingebaut. Aus Versicherungsgründen würden natürlich diffizile Reparaturen an Vertragsfirmen übergeben.
Nachtschicht einlegen
Drinnen in der Reparaturwerkstätte ist auch sein Sohn David anzutreffen. Der 29-Jährige hat nach einer Lehre als Kfz-Mechatroniker 2013 den Quereinstieg zu den BSB geschafft. In der Zwischenzeit ist er auch Matrose und stellvertretender Hafenmeister. Natürlich will er seinem Vater nacheifern und in den kommenden Jahren zum Kapitän aufsteigen.
Ihm gegenüber sitzt der 29-jährige Häfler Holger Wiese. Im Gegensatz zu Ingo und David Flock ist er das ganze Jahr über in der Werft als Teamleiter in der Elektro-Abteilung beschäftigt. Er stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen den Schiffsbesatzungen und der Werft dar. „Bei Schiffen, wie dem Katamaran oder der Bodenseefähre, die tagsüber ständig im Einsatz sind, müssen wir beispielsweise bei einem anstehenden Ölwechsel schon mal eine Nachtschicht einlegen“, meint er.
Bis es dann im Frühjahr für die „Weiße Flotte“wieder Leinen losheißt, werden Kapitän Ingo Flock und seine Crewmitglieder noch einige ölige Hände bekommen.