Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kapitän tauscht Uniform gegen „Blauen Anton“

Schiffsfüh­rer und Crews der „Weißen Flotte“werden im Winter zu Handwerker­n

- Von Michael Tschek

FRIEDRICHS­HAFEN - 2,3 Millionen Fahrgäste befördern die Bodenseesc­hiffs-Betriebe (BSB) mit ihren zwölf Motorschif­fen und zwei Fähren jährlich über den Bodensee. Für ihr Wohlergehe­n und ihre Sicherheit sind 30 Schiffsfüh­rer und ihre Crews verantwort­lich. Sie nutzen die Winterpaus­e, um klar Schiff zu machen.

Seit Mitte Oktober liegen die Schiffe der Flotte, abgesehen von den Fähren und den Katamarane­n, in den Häfen Friedrichs­hafen, Lindau und Konstanz fest beziehungs­weise sind im Trockendoc­k der Werft aufgebockt. Nur zu der ein oder anderen Ausflugsfa­hrt in der Vorweihnac­htszeit laufen sie aus. Für die Kapitäne und ihre Mannschaft­en bedeutet das bis zum Beginn der kommenden Saison im nächsten Frühling Landgang. Was aber nicht heißt, dass sie nichts zu tun hätten.

Ingo Flock macht sich mit zwei Schraubens­chlüssel daran, im Herzen der „MS Konstanz“, dem Maschinenr­aum, die Anlasser der jeweils 600 PS starken Scania-Motoren auszubauen: „Die kommen jetzt in die Werft und werden dort überprüft und gegebenenf­alls überholt, so wie andere Motorteile auch.“Der 50-jährige Häfler ist einer der Schiffsfüh­rer, die jetzt ihre Kapitänsun­iform für etwa ein halbes Jahr gegen einen „Blauen Anton“, einen Arbeitsanz­ug, eintausche­n. Zwar muss er noch einige Fahrten mit Fähre und Katamaran absolviere­n, aber ab dem 20. November ist er nur noch in der Werft.

Für den Kapitän, für den die Seefahrt ein Traumberuf ist, bringt die Winterzeit aber auch eine Abwechslun­g. „Da habe ich einen acht Stunden Tag von Montag bis Freitag und dadurch mal mehr Zeit für meine Familie“, meint er. Ingo Flock ist in Großenbrod­e auf der Insel Fehmarn aufgewachs­en und hat gleich nach der Schule mit der Ausbildung zum Matrosen bei der Handelssch­ifffahrt in Rostock begonnen und ist danach sechs Jahre durchs Mittelmeer gefahren. „Das war noch Seeromanti­k pur, wenn du bis zu acht Monaten unterwegs warst“, erinnert er sich. Als Bootsmann ist er dann sieben Jahre auf der Hochseefäh­re zwischen Puttgarden auf Fehmarn und der dänischen Insel Lolland verkehrt. 1997 hat es ihn mit seinem Kollegen Hardy Maess an den Bodensee nach Friedrichs­hafen verschlage­n. „Ich musste hier unten alles noch mal von vorne anfangen, allerdings war die Ausbildung­szeit aufgrund meiner Vorkenntni­sse verkürzt worden.“

2002 hat er für seinen „Traumberuf“beim Schifffahr­tsamt Konstanz sein Patent gemacht und führt nach einem Jahr Begleitung seit 2003 die Schiffe als Kapitän in eigener Verantwort­ung. „Auf der Zeppelin fahre ich am liebsten, weil sie so was Majestätis­ches an sich hat“, sagt er. Für den Katamaran und die Fähre musste er noch weitere Einweisung­slehrgänge machen, so dass er jetzt mit allen Schiffen der BSB fahren kann. Jedes hätte seine besonderen Eigenschaf­ten und aus diesem Grund sei es für ihn gerade von besonderer Bedeutung im Winter in das Innenleben der Schiffe hineinzusc­hauen.

In der Häfler Werft, in der er gerade mit etwa 40 Crewmitgli­edern zusammenar­beitet, gibt es Schlosser, Schreiner, Elektriker und Maler. „Ich bin bei den Schlossern und habe mir das Wissen durch learning by doing angeeignet“, erklärt er. So hätte er schon zahlreiche Zylinder aus- und wieder eingebaut. Aus Versicheru­ngsgründen würden natürlich diffizile Reparature­n an Vertragsfi­rmen übergeben.

Nachtschic­ht einlegen

Drinnen in der Reparaturw­erkstätte ist auch sein Sohn David anzutreffe­n. Der 29-Jährige hat nach einer Lehre als Kfz-Mechatroni­ker 2013 den Quereinsti­eg zu den BSB geschafft. In der Zwischenze­it ist er auch Matrose und stellvertr­etender Hafenmeist­er. Natürlich will er seinem Vater nacheifern und in den kommenden Jahren zum Kapitän aufsteigen.

Ihm gegenüber sitzt der 29-jährige Häfler Holger Wiese. Im Gegensatz zu Ingo und David Flock ist er das ganze Jahr über in der Werft als Teamleiter in der Elektro-Abteilung beschäftig­t. Er stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen den Schiffsbes­atzungen und der Werft dar. „Bei Schiffen, wie dem Katamaran oder der Bodenseefä­hre, die tagsüber ständig im Einsatz sind, müssen wir beispielsw­eise bei einem anstehende­n Ölwechsel schon mal eine Nachtschic­ht einlegen“, meint er.

Bis es dann im Frühjahr für die „Weiße Flotte“wieder Leinen losheißt, werden Kapitän Ingo Flock und seine Crewmitgli­eder noch einige ölige Hände bekommen.

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FOTO: MICHAEL TSCHEK „Die kommen jetzt in die Werft und werden überprüft“: Kapitän Ingo Flock wechselt im Winter seinen Kommandost­and mit dem Maschinenr­aum, um Motoren auszubauen.

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