Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Hängepartie in Gaza
Die Skepsis ist gewachsen, ob das noch was wird mit einer palästinensischen Einheitsregierung in Gaza, und mit ihr Ärger und Frust der wartenden Zivilbevölkerung. Eigentlich sollte zum 1. Dezember die bisher nur das Westjordanland kontrollierende palästinensische Regierung von Abbas sämtliche Ministerien und Behörden vollends übernehmen. Doch die Versöhnungsgespräche der jahrelang verfeindeten Fraktionen von gemäßigter Fatah und radikal-islamischer Hamas sind ins Stocken geraten. Jetzt kamen beide Seiten mit den ägyptischen Vermittlern überein, weitere zehn Tage zu verhandeln.
Es hapert an zwei Punkten: Der eine betrifft die 40 000 Hamas-Angestellten, die nicht wissen, ob sie von den Autonomiebehörden übernommen werden. Sie arbeiten im Gesundheitsdienst, in Schulen und Polizei und bezogen bislang Gehälter aus Steuereinnahmen der Hamas. Nach dem Zerwürfnis im Juni 2007, als die Islamisten in einem blutigen Putsch die Fatah-Führer aus dem Gazastreifen jagten, hatte sich Präsident Mahmud Abbas die Gunst seiner Loyalen mit einer umstrittenen Verfügung gesichert. Zehntausende Fatah-Beamte wurden fortan fürs Nichtstun bezahlt. Premier Rami Hamdallah wies sie jetzt an, am Donnerstag wieder zum Dienste zu erscheinen. Die Hamas-Angestellten sahen sich ihrer Jobs beraubt. Woraufhin Hamas-Vertreter kurzerhand Offizielle der Autonomiebehörden am Zutritt hinderten.
Noch schwieriger dürfte eine Lösung für den anderen Streitpunkt sein. Dabei geht es um die Frage, was aus den Waffen der Hamas werden soll. Ihr militärischer Flügel will sie nicht hergeben. Abbas wiederum, der der Fatah angehört, will keine Miliz dulden, die nicht der Regierungsgewalt untersteht. Verhältnisse wie in Libanon, wo die Hisbollah ein Eigenleben führt, werde es mit ihm nicht geben, hat er erklärt.
Abbas’ Popularität sinkt
Das Problem ist nur, dass Abbas keinerlei Eile an den Tag legt, die Lage der zwei Millionen Gaza-Bewohner zu erleichtern. Seine finanziellen Sanktionen, um die Hamas unter Druck zu setzen, sind nach wie vor in Kraft. Seine Popularität ist im Keller. Dem Rat seines mächtigen Geheimdienstchefs Majed Farraj folgend scheint er zu glauben, die Islamisten zur Kapitulation zwingen zu können. Für Abbas birgt der Versöhnungsprozess mit der Hamas, die in USA und Europa noch als Terrorgruppe eingestuft wird, ja auch ein politisches Risiko. Schließlich hat er seine Karten auf die internationale Diplomatie gesetzt.
Umso mehr Palästinenser hoffen wie Usama Antar nun auf die Ägypter, „die mit Nachdruck die Sache noch schaukeln könnten“. Kairo jedenfalls hat großes Interesse, Gaza als direkten Nachbarn zum Sinai politisch zu stabilisieren. Die Gefahr liegt auf der Hand, dass der palästinensische Elendsstreifen sich sonst weiter radikalisiert und unter den Einfluss der auf der ägyptischen Halbinsel operierenden Terroristen des „Islamischen Staats“gerät.
Sollte die nationale Einheit erneut misslingen, könnte dies Hamas wie Fatah teuer zu stehen kommen. „Gebt dem Versöhnungsprozess alle Zeit, die er braucht“, rät denn auch Omar Shaban vom Wirtschaftsinstitut „PalThink“.