Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Glyphosat, das kleinere Übel
Bauernverbände begrüßen Verlängerung der Zulassung des Herbizids
RAVENSBURG - All das, was auf dem Acker wächst und nicht vom Landwirt gesät wurde, ist ein Ärgernis. Denn das Unkraut tritt in Konkurrenz zu Weizen, Gerste und Mais und kann zu Ernteeinbußen führen. Das Unkraut muss also weg. Doch darum, wie das genau geschehen soll, gibt es Diskussionen. Gerade hat die EUKommission das Herbizid Glyphosat für weitere fünf Jahre zugelassen. Ob das Mittel gefährlich ist, ist umstritten. Doch es gab schon Landwirtschaft vor dem Glyphosat – und damit auch Möglichkeiten, ohne das umstrittene Mittel auszukommen.
Landwirt Armin Meßmer hat einen Betrieb mit 300 Hektar Land um Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringen. „Ich brauche Glyphosat nicht unbedingt. Wir würden auch ohne auskommen“, sagt er. Dennoch verwendet der Landwirt das Herbizid auf seinen Böden. Der Grund: Meßmer erhält durch ein Förderprogramm von Bund, Land und der EU eine Prämie, wenn er seinen Acker ohne einen Pflug für die Aussaat vorbereitet. Doch gerade der kann Herbizide obsolet machen.
Beim Pflügen graben sich die Metallschaufeln etwa 30 Zentimeter tief in die Erde und schichten den Boden um. Das Unkraut wird dabei vergraben und kann den Kulturpflanzen des Landwirtes später nichts mehr anhaben – der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat ist nicht nötig. Würden alle Landwirte in Zukunft auf den Pflug setzen, könnten sie also weitgehend auf das Herbizid verzichten. Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist es nicht. Denn die bodenwendende Bearbeitung des Ackers hat große Nachteile. Neben deutlich höheren Kosten für Kraftstoff, hat der tiefe Eingriff in den Boden laut dem Landwirt auch ökologische Folgen.
„Ohne Glyphosat hätten wir große Probleme“, sagt Alois Fahrmeier, Vorstandsmitglied des Fachausschusses Ackerbau des Landesbauernverbands Baden-Württemberg. Er führt einen landwirtschaftlichen Betrieb im Main-Tauber-Kreis. Seine Böden haben schon länger keinen Pflug mehr gesehen. Denn: die Region umfasst die größte zusammenhängende Fläche in Baden-Württemberg, die akut von Bodenerosion bedroht ist. Lockert Fahrmeier seinen Acker mit einem Pflug noch zusätzlich auf, besteht die Gefahr, dass sein fruchtbarer Boden von Regen und Wind weggetragen wird. Verhindern kann er das, indem er zum Beispiel durch sogenanntes Grubbern nur die oberste Erdschicht bearbeitet. Dafür muss Fahrmeier allerdings Unkrautwuchs in Kauf nehmen, den er mit Glyphosat behandelt. Ein Problem, das nicht nur den Kraichgau betrifft.
Kampf gegen Nitrat im Wasser
Weil die Landwirte auf den Pflug in der Region verzichten, hat sich ein weiterer Nebeneffekt eingestellt. Die Qualität des Grundwassers hat sich deutlich verbessert. „Das ist eigentlich nur durch die geringere Bodenbearbeitung zustande gekommen“, sagt Fahrmeier. Denn durch das Pflügen und die dadurch eingegrabenen Pflanzenreste werde entstehen im Boden Stoffe wie Nitrat. Das wird zum Beispiel durch Regen ausgewaschen und gelangt so in Gewässer. Im Schnitt seien die Werte nur noch halb so hoch wie noch vor einigen Jahren und mit 30 bis 40 Milligramm pro Liter nun deutlich unter dem Grenzwert – ein Grund, warum pfluglose Landwirte Prämien erhalten. Also Gewässerschutz oder Glyphosatzeinsatz?
„Wir versuchen den Ackerbau insgesamt zu optimieren, aber müssen auch abwägen, welches Umweltziel am stärksten gefährdet ist“, sagt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Der Einsatz von Glyphosat ist aus Sicht von Politik und Verbänden keinesfalls alternativlos, aber das deutlich kleinere Übel.