Schwäbische Zeitung (Tettnang)
In Marokko trifft Mountainbike auf Maulesel
Mit Rückenwind durch den Hohen Atlas radeln und Einheimische in Staunen versetzen
Mohammed, marokkanischer Tourguide auf dem Fahrrad, ist ein eher ruhiger Zeitgenosse. Um nicht zu sagen: ein sehr schüchterner. An der Sprache kann es nicht liegen. Denn der freundliche junge Mann hat ein halbes Jahr im Goethe-Institut in Marrakesch Deutsch gelernt und kann sich ganz gut verständigen. Reden ist halt einfach nicht so sein Ding. Doch nach einem kilometerlangen Anstieg im Gebirge von durchschnittlich 16 Prozent Steigung und 600 bewältigten Höhenmetern wird selbst Mohammed gesprächig. Gerade habe uns ein Einheimischer hinterhergerufen: „Mensch, seid ihr Europäer aber fit“, erzählt er und lacht sich halb tot.
Was die Berber hier oben im Hohen Atlas nicht wissen können: Unter den Gepäckträgern unserer EMountainbikes verstecken sich leistungsstarke Batterien von Bosch. Nur wer ganz genau hinhört, bemerkt das leise Schnurren, wenn die Akkus beim Treten in die Pedale zusätzlichen Schub geben. Mit diesem Rückenwind werden selbst die steilsten Pässe, die engsten Kehren und die Tagesetappen von 45 Kilometern zu einem Klacks. Und trotzdem hat man das Gefühl, sportlich unterwegs zu sein – denn ohne eigene Energie geht nichts.
Kontakt zu den Menschen
E-Bikes sollen schon so manche Ehen gerettet haben, hört man. Gerade in der Midlife-Crisis, wenn die Herren der Schöpfung immer noch verbissener in die Pedale treten, bleiben die Frauen leistungstechnisch oft auf der Strecke. Da kann so eine elektrische Hilfe durchaus zur Beziehungsentspannung beitragen. Und überhaupt: Was kann es Schöneres geben, als mitten im grauen deutschen Winter durch das angenehm warme Marokko zu rollen – ohne die Angst, den nächsten Anstieg nur hechelnd zu schaffen? Keine einzige Wolke trübt den dunkelblauen Himmel, und die Geröllwüsten und Berghänge im Hohen Atlas zwischen Sahara und Atlantik geben farbenmäßig alles. In warmen Tönen von einem hellen Beige bis hin zu einem dunklen Braun leuchten die Gipfel, die sich bis zu 4167 Meter in die Höhe recken. Selbst die Nebensträßchen sind einigermaßen ausgebaut; Autos begegnet man selten, nur ab und zu kreuzen Berber mit Mauleseln den Weg, die das Brennholz für den Abend nach Hause tragen. „Bonjour. Comment ça va, madame?“– „Guten Tag, wie geht’s?“, grüßen die Menschen in dieser abgeschiedenen Gegend freundlich auf französisch, und die Kinder strecken strahlend die Hände aus, damit man sie beim Vorbeiradeln abklatscht. Touristen auf zwei Rädern sehen sie nicht alle Tage. Längst nicht alle Kinder hier oben gehen zur Schule, doch manche nehmen aus schierem Bildungshunger Anfang der Woche einen bis zu vierstündigen Fußmarsch durch eine menschenleere Stille auf sich.
Fährt man in einem klimatisierten Geländewagen mit geschlossenen Fenstern durch diese Landschaft und den aus gestampften Lehmziegeln gebauten Dörfer, bekommt man von alledem wahrscheinlich nicht viel mit. Man riecht nicht die orientalischen Düfte von Zitrusfrüchten und Gewürzen, hört nicht die feilschenden Händler auf den Märkten, spürt nicht die milde Luft auf der Haut. Mit dem Fahrrad stoppt man spontaner, und bei den zahlreichen Pausen kommt man schnell ins Gespräch mit den Menschen, die wissen wollen, woher man kommt und wohin man fährt. Hier bei einem Halt einen Ammoniten oder Amethysten am Straßenrand gekauft, dort ein Silberarmband erstanden – das ist eine der wenigen Einkommensquellen der Einheimischen auf dem 2268 Meter hohenTichka-Pass. Die Frauen kochen köstliche Tajines, ein traditionelles Schmorgericht mit Fleisch und Gemüse in einem spitzigen Lehmgefäß, und bieten es der Radlertruppe im heimischen Wohnzimmer an. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es einige. Sie reichen von der einfachen Herberge mit Plumpsklo bis hin zum noblen Boutique-Hotel mit Swimmingpool und Hammam – je nach Gusto und Geldbeutel.
Filmkulisse Aït Ben Haddou
Die schönste Sehenswürdigkeit liegt direkt an der Strecke: die weltberühmte Kasbah von Aït Ben Haddou, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Morgens um zehn Uhr ist hier noch nicht viel los, gerade erst legen die Händler Teppiche, Tongeschirr, Schmuck und selbst gemalte Bilder für die Touristen aus aller Welt zurecht. Der uralte Ortskern auf einem Felsen besteht aus mehreren, ineinander verschachtelten Wohnburgen aus Stampflehm; längst sind die Bewohner aber in die komfortablere Neustadt auf der anderen Flussseite gezogen. Bekannt wurde Aït Ben Haddou vor allem als Kulisse für Filme wie „Gladiator“, „Lawrence von Arabien“, „Himmel über der Wüste“und „Game of Thrones“.
Nimmt man den Weg durch das Ounila-Tal taucht irgendwann wie eine Fata Morgana die Burgruine von Telouet auf. Hier machten früher die Karawanen halt und tränkten die Kamele. Von außen eher unscheinbar, entfaltet sich erst im Inneren ihre ganze Schönheit mit Wänden und Decken aus Kacheln, Stuck, Malereien und Holzornamenten nach islamischer Art. Durch die reich verzierten Fenster hat man einen wunderbaren Blick auf Oase und Dorf.
Kleinbusse bringen uns und die Fahrräder wieder zurück nach Marrakesch. Wer will, kann noch durch die labyrinthartigen Souks der Medina oder über den berühmten Platz Djemaa el Fna mit seinen Schlangenbeschwörern, Geschichtenerzählern und Gauklern ziehen. Zu Fuß.
E-Bike-Radreisen in Marokko bietet Belvelo an. Mehr Informationen unter www.belvelo.de www.lernidee.de
Die Recherche wurde unterstützt von Belvelo E-Bike-Reisen sowie Airarabia. Nach jeder durchgeführten Reise wird ein Fahrrad für Schüler im südlichen Afrika gespendet.