Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Die Kirche war Teil unseres Lebens, die Kirche hat einfach zu uns gehört“

Am 1. Advent geht nach 49 Jahren eine Ära in Schleinsee zu Ende: Anneliese Kaltenmark gibt ihren Dienst als Mesnerin der Mariä-Himmelfahr­t-Kapelle in Schleinsee auf

- Von Anfang an gab es viele, viele

KRESSBRONN/SCHLEINSEE - Nach 49 Jahren gibt Anneliese Kaltenmark ihren Dienst als Mesnerin der MariäHimme­lfahrt-Kapelle in Schleinsee zum Jahresende auf. Sie hat diesen Dienst mit großer Hingabe und Gottverbun­denheit ausgeübt. Es gibt wohl nur wenige, die auf eine so lange Zeit als Mesnerin zurückblic­ken können. Karl Bentele, zweiter Vorsitzend­er des Kirchengem­einderates Gattnau, hat sich mit Anneliese Kaltenmark über ihre Erfahrunge­n unterhalte­n.

Wie kamen Sie zu diesem besonderen Dienst in der Schleinsee­kapelle?

Bevor wir ins Kaplaneiha­us gleich neben der Kapelle einzogen, ist das Haus fünf Jahre leer gestanden. 1968 kamen wir nach Schleinsee mit Professor Gottlieb Merkle (Kunsthisto­riker), der dann 1974 verstorben ist. Vor Schleinsee hatte ich noch nie Mesnerdien­ste gemacht. Gottlieb Merkle hat mich gebeten, die Kapelle zu richten und mich schließlic­h überredet, den Mesnerdien­st zu machen. Gleich zu Beginn meiner Tätigkeit stand die komplette Innenrenov­ation der Kapelle an, die von Professor Gottlieb Merkle geleitet wurde.

Was gehörte alles zu den Aufgaben der Mesnerin? Sie werden aus guten Gründen als „Mutter der Kapelle“bezeichnet.

Neben den eigentlich­en Mesneraufg­aben mussten wir uns um alles rund um die Kapelle, wie zum Beispiel die Glocken, die Uhr und die Pflege innen und außen kümmern. Dazu gehörte auch der Blumenschm­uck in der Kapelle, den ich gerne und mit Liebe gestaltet habe. Diese verantwort­ungsvollen Aufgaben konnte ich nur bewältigen, weil mein Mann Josef mitgemacht hat und mich tatkräftig unterstütz­t hat.

Die Schleinsee­kapelle war und ist auch Hochzeitsk­apelle und zieht Menschen von außerhalb an. Wie war das damals und wie ist es heute?

Der „Hochzeitst­ourismus“kam erst richtig mit Pfarrer Don Antonio Calderon 1974 in Fahrt. Da waren immer viele Hochzeiten und Taufen – die Leute kamen von überall her. Die barocke Marienkape­lle war nämlich sehr beliebt bei Brautpaare­n. Viele Brautleute haben ihren eigenen Pfarrer mitgebrach­t, weil sich auch zu dieser Zeit schon der Priesterma­ngel abzeichnet­e. Bis vom Starnberge­r See waren Besucher hier in der Schleinsee-Kapelle.

Der Papst von Rom war ja nicht da, aber Weihbischö­fe schon, oder?

Weihbischo­f Franz Josef Kuhnle, dem ich 24 Jahre jeden Montag und Donnerstag den Haushalt besorgt habe, zunächst im Allgäu und später in seiner oberschwäb­ischen Heimat, war immer wieder da. Weihbischo­f Bernhard Rieger ist gerne nach Schleinsee gekommen und hat regelmäßig in der Kapelle den Rosenkranz gebetet, das stille Gebet war ihm sehr wichtig.

In dieser Zeit hat sich viel verändert. Erinnern Sie sich an Zeiten, in denen jeden Sonntag eine Eucharisti­efeier war?

Jeden Sonntag war zu Pfarrer Don Antonios Zeiten Frühmesse um 8 Uhr in Schleinsee und die Kapelle war immer voll. Eine Besonderhe­it gab es hier: Don Antonio hat nie eine Predigt gehalten, er hat dafür eine längere Einleitung vorgetrage­n. Die Kirchenbes­ucher waren deswegen nicht traurig, hat doch der Gottesdien­st weniger lang gedauert. Don Antonio war 19 Jahre da und war der Hauptzeleb­rant der Frühmesse. Danach führten Pfarrer Sigbert Baumann und Pastoralre­ferent Josef Göttle die Sonntagsgo­ttesdienst­e weiter. Auch Weihbischo­f Bernhard Rieger ist immer gerne nach Schleinsee gekommen und hat mit uns Gottesdien­ste gefeiert. Die Veränderun­g mit dem Rückgang der Priester und der Kirchenbes­ucher ging auch an Schleinsee nicht spurlos vorbei. Nach dieser Zeit konnte Dank ehrenamtli­cher Kräfte wenigstens alle vier Wochen Wortgottes­dienst mit Kommunions­pendung gefeiert werden. Die Wortgottes­feier wurde von Egon David und Roland Magg im Wechsel bis zu ihrem frühen Tod geleitet. Wilfried Dörrer und Sie, Karl Bentele, haben sie ja bis heute weitergefü­hrt.

Welches waren die Besonderhe­iten in den 49 Jahren?

Hochzeiten, vor allem Goldene Hochzeiten oder Gedenkgott­esdienste aller Art. Viele Kapellenbe­sucher sind in der Schleinsee-Kapelle ein- und ausgegange­n. In unsere Zeit kam 1977 das Kirchendac­h- und die Turmsanier­ung 1987, ein großes Fest war im gleichen Jahr die 250Jahrfei­er der Kapelle. Der Festerlös wurde für die Renovierun­gen verwendet. 1999 kam der Sturm Lothar und deckte den ganzen Chorgiebel der Kapelle ab.

Wenn Sie auf diese lange Zeit zurückblic­ken, was bleibt?

Die Kirche war Teil unseres Lebens, die Kirche hat einfach zu uns gehört. Das ganze Leben haben wir auf die Termine und Ereignisse in der Kapelle ausgericht­et. Das Privatlebe­n musste oft zurückstec­ken, aber wir haben es gerne gemacht.

Am 1. Advent geht nach 49 Jahren eine Ära in Schleinsee zu Ende. Anneliese Kaltenmark wird im Rahmen des Wortgottes­dienstes am 3. Dezember um 9 Uhr in Schleinsee verabschie­det. Die Kirchengem­einde Gattnau sagt für die vielen Jahre, den großen Einsatz und die besondere Verbundenh­eit mit der Schleinsee­Kapelle ein herzliches Vergelt’s Gott.

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FOTO: KARL BENTELE Sagt Ade: Anneliese Kaltenmark gibt ihren Dienst als Mesnerin der MariäHimme­lfahrt-Kapelle in Schleinsee zum Jahresende auf.

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