Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Handlungsbedarf bei den Behörden
Versprechen gegeben, Versprechen gebrochen? Die „nationale Kraftanstrengung“, die Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt hatte, die höhere Zahl von Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière zugesagt hatte, sollten den Menschen 2016 die Sorge vor dem Kontrollverlust und der Überforderung des Staates durch die große Zahl von eingereisten Flüchtlingen nehmen. Tatsächlich sind ein Jahr später nur halb so viele abgelehnte Asylbewerber freiwillig zurückgekehrt wie 2016, und bei den Abschiebungen gibt es kaum Veränderungen.
Entpuppen sich Merkels und de Maizières Worte somit als Beschwichtigungsfloskeln, ist wirklich nichts geschehen? Sogar das Innenministerium räumte am Donnerstag ein, dass „beim Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen für Personen ohne Bleiberecht unzweifelhaft nach wie vor Defizite bestehen“. Dennoch war es ein Fehler, die Zahl der Rückführungen zur Messlatte für die Verlässlichkeit des Rechtsstaates zu machen. Denn Erfolge und besondere Effekte werden so überdeckt.
So gab es 2016 extrem hohe Zahlen an Rückkehrern und Abschiebungen in die Balkanländer. Gleichzeitig machten sich kaum noch Menschen von dort auf den Weg nach Deutschland, weil die Asylchancen für sie inzwischen bei null liegen. Dieses Beispiel zeigt: Auch die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer hätte den Effekt, dass sich Menschen ohne Asylchance erst gar nicht auf den Weg machen – und dann auch nicht zurückkehren müssen. Verdeckt wird auch, dass die Abschiebehürden gesenkt wurden und beim Vollzug längst nicht alles im Argen liegt.
Dennoch besteht weiterer Handlungsbedarf: Die Asylverfahren dauern noch immer zu lange, die Fehlerquote liegt zu hoch, und die Gerichte kommen mit den Verfahren nicht hinterher. Der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Überlastung der Gerichte erweisen sich weiterhin als große Schwächen im Asylsystem.