Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Suche nach dem Nachwuchs
IHK und Dehoga sorgen sich um Ausbildungszahlen – Meinungen in Tettnang gespalten
TETTNANG - In der GastronomieBranche herrscht seit einiger Zeit eine Flaute an Nachwuchskräften. Seit dem Jahr 2000 ist, laut IHK Bodensee-Oberschwaben, die Zahl der begonnenen Ausbildungen zum Koch um 33 Prozent gesunken, die Ausbildungen zum Hotelfachmann sanken um 17 Prozent. Auch in Tettnang sei der Trend zu bemerken, sagt Petra Wilhelm. Sie ist Leiterin der Landesberufsschule für Hotel- und Gaststättenberufe in Tettnang. Allerdings kehre dieser sich anscheinend wieder um: Das Tief sei vor zwei Jahren gewesen, für das Jahr 2017/18 gebe es wieder einen Schülerzuwachs von etwa zehn Prozent im zweiten und dritten Lehrjahr. An dem Anstieg der Zahlen, ergänzt sie, seien übrigens auch Flüchtlinge beteiligt, die einen Beruf in diesem Gewerbe ergreifen wollten.
In Tettnang sind die Meinungen in der Gastronomie gespalten. Die meisten kennen die Situation auf dem Arbeitsmarkt, kommen aber durch langjährige Mitarbeiter oder Umstrukturierungen zurecht. Andere dagegen erhalten seit Jahren nur wenige Bewerbungen und suchen händeringend nach Fachkräften. „Der Mangel an Nachwuchs ist schon seit längerer Zeit bekannt“, sagt Karl-Rudolf Forster vom Hotel Bären. Er selbst beschäftige ausreichend fertige Kräfte und werde aufgrund seines Alters auch keinen Lehrling mehr ausbilden. Was ihm trotzdem auffalle, sei die wachsende Beliebtheit, nach einer Ausbildung in die Systemgastronomie zu gehen. „Die wenigsten Azubis bleiben bei einem“, sagt Forster. „Neue Orte und Bereiche sind einfach interessanter als hierzubleiben.“
Ähnlich sieht das Caroline Lindenmüller vom Hotel Ritter: „Heutzutage wollen alle nur in die bekannten Hotels mit großem Namen.“Das sei auch einer der Gründe für die Umstrukturierung des Hotels gewesen. „Für den Restaurantbetrieb hätte es zu lange gedauert, ausreichend Personal zu finden.“sagt sie. Im Hotel selbst beschäftige sie viele Teilzeitkräfte, die den Beruf nicht unbedingt gelernt haben. „Immer öfter sind es auch junge Leute mit Lernbehinderung und geistiger Behinderung, die bei uns kleinere Jobs übernehmen“, erklärt sie.
Im Hotel Rad spüre man keine Auswirkungen des Fachkräftemangels: Alle Stellen und Ausbildungsplätze seien zur Zeit belegt. „Wie es für die Zukunft aussieht, ist schwer zu sagen, aber im Moment sind wir mit der Situation zufrieden“, sagt Philip Blank.
Anders sieht das Fritz Tauscher sen. von der Tettnanger Krone: Er habe einen sehr guten Stamm, „aber wir sind alle gemeinsam alt geworden“. Seit einige in Rente gegangen seien, klemme es etwas. „Ich suche, aber finde niemanden. Es gibt derzeit einfach keine gelernten Köche oder Restaurantfachkräfte.“Dass die Arbeitszeiten in der Gastronomie auf manche abschreckend wirken, sagt Tauscher, „das kann ich selbst nicht nachvollziehen“. Auch in anderen Berufen sei das so, etwa bei Krankenschwestern oder Polizisten. „Ich kann nicht verstehen, dass das bei der Gastronomie so hoch gehängt wird.“Immerhin mache der Beruf sehr viel Spaß, wenn man einmal drin sei. Und die Beschäftigten hätten wie jeder andere auch ein Privatleben, würden Freunde treffen und Zeit mit der Familie verbringen.
Hohe Motivation bei Azubis
Den Ruf der Gastronomie sieht Petra Wilhelm nur bedingt als Grund für die Flaute. Andere Berufe hätten das gleiche Problem, die Ausstiegsquote in der Ausbildung sei nicht höher als in anderen Lehrberufen. An der Verbesserung der Arbeitszeit und des Gehaltsniveaus sei man beim Hotelund Gaststättenverband (Dehoga) schon dran. Die rechtlichen Bedingungen dafür sind inzwischen durch das Arbeitszeitschutzgesetz geschaffen. Die Betriebe würden stark überprüft, so Wilhelm, dadurch würde das Gesetz mittlerweile gut eingehalten. Das führe zu einer hohen Motivation und einer guten Einstellung zur Ausbildung.
„Die Schüler freuen sich auf ihre Arbeit“, sagt Petra Wilhelm. Die Gastronomie sei eine eigene Welt. Natürlich gebe es Menschen, für die sei das nichts: „Aber den anderen macht es in der Regel Spaß. Wenn man die Affinität hat, dann packt es einen.“Ein ähnliches Bild hat auch Ulrike Speth-Zappone von der Trattoria Adler: „Diejenigen, die den Beruf wirklichen erlernen wollen, haben auch Spaß daran und ziehen das durch“, sagt sie. In der Gastronomie werde es nie langweilig, schließlich könne man jeden Tag kreativ sein.
Der Dehoga-Verband und die IHK Bodensee-Oberschwaben versuchen gemeinsam, den Mangel einzudämmen. Beispielsweise veranstalten sie vermehrt Aktionstage, mit denen für Hotel- und Gaststättenberufe geworben wird. Außerdem haben sie vor vier Jahren das Ausbilderversprechen eingeführt, in dem sich die beteiligten Betriebe verpflichten, sich an bestimmte Standards zu halten.