Schwäbische Zeitung (Tettnang)
CSU geht auf Konfrontationskurs zur SPD
Disput um Verteidigungsetat und EU-Regeln für Flüchtlinge – Seehofer beruhigt Gemüter
BERLIN - Die CSU geht kurz vor dem Start der Sondierungen für eine neue Bundesregierung bei zentralen Themen auf Konfrontationskurs zum möglichen Partner SPD. Laut einer Vorlage für die Klausur ihrer Bundestagsabgeordneten Anfang Januar macht sich die CSU für deutlich höhere Verteidigungsausgaben und schärfere EU-Regeln bei Flüchtlingen und Grenzkontrollen stark. Sie bezieht damit Position gegen Vorstellungen der Sozialdemokraten. Diese reagierten entsprechend verärgert, sodass CSU-Chef Horst Seehofer nachschob, seine Partei wolle die Sondierungen nicht gefährden.
Die CSU will den Verteidigungsetat den gestiegenen Anforderungen anpassen und sich dabei „weiter am Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes“orientieren. „Landes- und Bündnisverteidigung sowie internationales Engagement sind nicht umsonst zu haben“, heißt es in dem Entwurf für die Winterklausur. SPD-Vize Ralf Stegner wies die Forderung zurück. „Was wir brauchen, sind Investitionen in Bildung, Familien und Infrastruktur und nicht in Aufrüstung“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Nato-Staaten hatten sich 2014 verpflichtet, sich bis 2024 auf Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zuzubewegen. Deutschland liegt derzeit bei 1,23 Prozent.
Die CSU fordert zudem schärfere Asylregeln. „Es ist nicht akzeptabel, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnimmt als alle anderen 27 EUStaaten zusammen“, heißt es in der Vorlage, die bei der Klausur beschlossen werden soll. Nachdem CSU-Politiker tags zuvor Kompromissbereitschaft in der Frage des Familiennachzugs signalisiert hatten, machte etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Freitag in Bezug auf Härtefälle deutlich: „Da geht es um eine sehr überschaubare Zahl. Es können einige Dutzend sein, aber eben nicht Tausende.“
Linke spekuliert auf Neuwahlen
Die neue SPD-Vize Natascha Kohnen kritisierte bei Twitter, es sehe so aus, als wolle die CSU die Gespräche „mit Anlauf gegen die Wand fahren“. CSU-Chef Horst Seehofer bemühte sich, die Gemüter zu beruhigen. „Ich empfehle uns allen Disziplin und Zurückhaltung“, sagte er in München. Die CSU halte an dem Ziel fest, eine neue stabile Regierung zu bilden. Kompromisse könnten am Verhandlungstisch geschmiedet werden.
Sahra Wagenknecht, Linken-Fraktionschefin im Bundestag, ist sich angesichts der Scharmützel zwischen Union und SPD nicht sicher, ob es wieder eine Große Koalition geben wird. „In der SPD-Basis gibt es erhebliche Vorbehalte“, sagte Wagenknecht der „Schwäbischen Zeitung“. „Wenn die Verhandlungen scheitern und es zu Neuwahlen kommt, wäre das eine Chance, andere Mehrheiten zu erreichen.“Dafür sei aber eine inhaltlich und personell erneuerte SPD vonnöten.
BERLIN - Gerade erst hatten die Christsozialen Kompromissbereitschaft gezeigt und beim Streitthema Familiennachzug für Flüchtlinge der SPD ein zaghaftes Entgegenkommen signalisiert. Doch schon zieht die kleine Unionsschwester wieder rote Linien, geht vor Beginn der Sondierungsgespräche mit der SPD über eine mögliche Große Koalition auf Konfrontationskurs: Ob Europa, Sicherheitsund Verteidigungspolitik oder innere Sicherheit und Asyl – die Bundestagsabgeordneten der CSU setzen gleich mehrere hohe Hürden auf dem Weg zu einer Neuauflage von Schwarz-Rot. Es sehe so aus, als wollten die Christsozialen die Gespräche „mit Anlauf gegen die Wand fahren“, wirft SPD-Vizechefin Natascha Kohnen der CSU vor.
Einer der möglichen Stolpersteine: deutlich mehr Geld für die Bundeswehr, ein klares Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato, was einer Erhöhung des Wehretats bis 2024 auf rund 72 Milliarden Euro, und damit um mehr als sechs Prozent bedeuten würde. Das geht aus einer Beschlussvorlage hervor, die die CSULandesgruppe im Deutschen Bundestag in der kommenden Woche auf ihrer Klausurtagung in Kloster Seeon verabschieden will.
Investitionen notwendig
„Wir stehen zu unseren Bündnisverpflichtungen“, versichert die CSU. „Bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung der Soldatinnen und Soldaten wie auch die Ertüchtigung und Modernisierung der Bundeswehr insgesamt kosten Geld.“Investitionen seien „in den Bereichen Digitalisierung, Verlege- und Transportfähigkeit, unbemannte Aufklärung wie bewaffnungsfähige Drohnen sowie mobile taktische Kommunikation notwendig“.
Milliardeninvestitionen zur Modernisierung der Bundeswehr – die Sozialdemokraten hatten sich bereits im Wahlkampf quergestellt und lehnen dies auch vor Beginn des Koalitionspokers weiter strikt ab. „Es gibt keinen Grund für eine so exorbitante Steigerung. Die Bundeswehr braucht gute Ausrüstung und keine Aufrüstung“, stellte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“klar. „Die CSU sollte nicht immer wieder alte Ladenhüter auspacken, sondern ernsthaft darüber reden, was die Bundewehr an vernünftiger Ausrüstung braucht.“Vor drei Jahren hatten sich die NatoPartner darauf verständigt, ihre Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Dem hatte damals auch die schwarz-rote Bundesregierung zugestimmt.
Der Forderung von SPD-Chef Martin Schulz nach „Vereinigten Staaten von Europa“bis 2025 erteilen die Christsozialen ebenso eine klare Absage wie der des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einem gemeinsamen EU-Haushalt und einem EU-Finanzminister. Stattdessen verlangen sie klare Kriterien für weitere mögliche Schritte auf dem künftigen Weg zur europäischen Integration. Das Konzept einer „schrankenlosen ever closer union“habe keine Akzeptanz in der Bevölkerung und sei „gescheitert“. Auch das provoziert die Sozialdemokraten. „Wir können die Globalisierung nur gestalten, wenn wir in der EU zusammenrücken. Steuerdumping und Steuerbetrug können wir nur bekämpfen, wenn wir uns in der EU gemeinsame, verbindliche Regeln geben. Wer sich dem verweigert, gefährdet die Zukunft Deutschlands wie Europas“, attackierte Parteivize Schäfer-Gümbel die Christsozialen.
Konfliktstoff bietet auch der Ruf der CSU nach schärferen Asylregeln. Dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehme als alle anderen 27 EUStaaten zusammen, sei „nicht akzeptabel“, heißt es in dem Beschlussentwurf für die Klausurtagung. Eine Reform der EU-Asylregeln dürfe dieses Ungleichgewicht nicht noch verschärfen. Asylverfahren sollten an den EU-Außengrenzen erfolgen. Solange die Außengrenzen nicht sicher seien, müssten die Kontrollen an den Grenzen fortgesetzt werden.