Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Leidenschaft pur: Kulissenbauer beim Film
Philipp Eggert aus Weißensberg ist Szenenbildner und Gewinner des „Emmy International Award“für die ZDF-Serie „Familie Braun“
WEISSENSBERG/MÜNCHEN - Nicht wenige, die ursprünglich in der Lindauer Region beheimatet waren, machen später draußen in der Welt Karriere. Dazu gehört auch Philipp Eggert, aufgewachsen im Weißensberger Ortsteil Rehlings, wo seine Eltern Joe und Christiane Eggert bis vor wenigen Jahren ein Sportfachgeschäft betrieben haben.
Der 33-Jährige, der zurzeit in München lebt, ist auf dem besten Weg, sich im Filmgeschäft einen Namen zu machen – nicht als Schauspieler, sondern als Szenenbildner. Vorläufiger Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn ist die Emmy-Auszeichnung für die ZDF-Serie „Familie Braun“, für die er das Szenenbild gestalten durfte.
Nazi mit schwarzer Tochter
Die vom ZDF produzierte Mini-Serie um eine Neonazi-WG hatte erst kürzlich den „International Emmy Award“gewonnen, einen renommierten Fernsehpreis, der von der „International Academy of Television Arts & Sciences“verliehen wird. In acht Folgen à sechs Minuten geht die Serie „Familie Braun“frech und mit viel Humor mit dem Thema Rechtsradikalismus um. Die Neonazis Thomas Braun und Kai Stahl bekommen aus heiterem Himmel eine neue Mitbewohnerin: Lara, sechs Jahre, schwarz. Sie ist Thomas’ Tochter und das Ergebnis eines vergessenen One-Night-Stands. Laras unangenehme Fragen zeigen mit entwaffnender Arglosigkeit, wie dünn und brüchig Thomas’ rechtsextreme Ideologien sind.
Bei der Preisverleihung in New York konnte Eggert aus beruflichen Gründen nicht dabei sein, gefreut hat er sich dennoch riesig, wie er im Gespräch mit der SZ sagt. Es sei eine „Auszeichnung für das ganze Team“, ein Gemeinschaftswerk, schließlich sei er mit dem Regisseur (Maurice Hübner) seit der Studienzeit befreundet. Zuvor habe „Familie Braun“schon zwei weitere Preise, den Deutschen Comedypreis und die „Romy“, einen österreichischen Film- und Fernsehpreis, einheimsen können. Auf jeden Fall würden derlei Auszeichnungen bei ihm selbst den „Ehrgeiz für neue Projekte fördern“, meint Eggert.
Ähnlich wie der Bühnenbildner beim Theater sei der Szenenbildner „Teil des Kreativteams“, der gemeinsam mit Regie und Kamera quasi das Kernteam einer Filmproduktion darstellt, erklärt Egger. Seine Aufgabe bestehe darin, die komplette Kulisse zu entwerfen. Dazu würden nicht nur der Bau der einzelnen Kulissenteile, sondern auch Ausstattung und Requisite gehören. In einem Fall kann das, wie etwa bei „Familie Braun“, eine Wohnung, ein andermal ein Raumschiff oder zuweilen auch die Kulisse für einen Kriegsfilm sein. Eggert: „Natürlich muss der Szenenbildner nicht alles alleine machen – als Chef der Ausstattungsabteilung hat er auch Leute, die für ihn arbeiten.“
„Traumberuf“gefunden
Für ihn sei der Szenenbildner tatsächlich auch ein „Traumberuf“, bestätigt Eggert, zumal er dabei seine beiden Interessen, Architektur und Film, in idealer Weise miteinander verbinden könne. Dies entspricht auch seinem beruflichen Werdegang. Nach Abschluss der Fachoberschule in Lindau studierte er zunächst in Rosenheim Innenarchitektur. Anschließend arbeitete Eggert ein Jahr beim Film, bevor er an der Filmakademie Ludwigsburg ein Aufbaustudium absolvierte. Mittlerweile ist er schon fünf Jahre im Job und hat für rund ein Dutzend Produktionen das Szenenbild entworfen. Eggert: „Bei jedem Projekt taucht man in eine neue Welt ein, mit der man sich auseinandersetzen und wofür man auch entsprechend recherchieren muss.“
„Familie Braun“sei ein Projekt gewesen, das trotz schmalem Budget sehr viel Spaß gemacht habe, weil es so anders als andere Projekte gewesen sei. Eggert: „Das war sehr mutig, vor allem viel schwarzer Humor rund um das Thema Nazis und Ausländerfeindlichkeit.“Die Serie sei schon Anfang 2015, also noch vor der Flüchtlingskrise, gedreht worden. „Hinterher hätten wir uns das wohl nicht mehr getraut“, fügt Eggert hinzu. Freilich sei in der Serie manches „politisch unkorrekt“dargestellt worden, aber das sei für die Handlung auch nicht wichtig gewesen.
Die Wohnung, sprich die Kulisse für „Familie Braun“, sei komplett in einem leerstehenden Bürotrakt in Berlin gebaut worden, erzählt der Szenenbildner. Pikanterweise seien die Eigentümer des Gebäudes zwei jüdische Brüder gewesen, die bereit waren, Räume für die Nazi-Glosse zur Verfügung zu stellen. Eggert: „Ich denke, damit haben sie sehr viel Humor bewiesen.“Die leerstehenden Räume seien gestrichen, eingerichtet und mit vielen Nazi-Requisiten ausgestattet worden, die – weil in Deutschland nicht zu kriegen – extra aus England oder Italien beschafft werden mussten. Darunter befanden sich, wie Eggert ergänzt, eine riesengroße Hitler-Briefmarke (als Tapete) oder auch eine Hakenkreuz-Fahne.
Längst arbeitet Eggert schon wieder an einem neuen Projekt, einem ARD-Fernsehfilm mit dem Arbeitstitel „Song für Mia“, der im Frühsommer ausgestrahlt werden soll. Parallel dazu plant er gemeinsam mit dem Kernteam von „Familie Braun“, dem Regisseur und der Kamerafrau, bereits das nächste Projekt. Die Vorfreude ist ihm anzumerken: „Hoffentlich wird es ein Kinofilm!“
Am Anfang sei es schwierig gewesen, aber mittlerweile könne er davon gut leben, erwidert Eggert auf eine entsprechende Frage. Zum Job gehöre auch, dass er viel unterwegs sei, zuletzt sogar für mehrere Monate in Polen, wo Szenen für einen Kriegsfilm gedreht wurden. Dort habe er als Szenenbild-Assistent eine riesige Anlage für ein Kriegsgefangenenlager gebaut.
Der Beruf bringt es mit sich, dass der 33-Jährige nur noch selten nach Lindau kommt. „Ich bin wahnsinnig selten in Lindau, andererseits ist es nach wie vor meine Heimat“, sagt Eggert. Natürlich halte er zu Freunden, insbesondere zu seiner Familie, Kontakt. Gerade zu Weihnachten werde in den Bergen oft „eine Hütte gemietet, wo sich dann die ganze Familie trifft“.