Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Im Handball haben Schiedsrichter den schwierigsten Job auf der Welt“
Lars Geipel und Marcus Helbig vertreten bei der Handball-EM die deutschen Schiedsrichter und waren gleich zum Auftakt beim Spiel von Gastgeber Kroatien im Balkan-Derby gegen das Nachbarland Serbien gefordert. David Drenovak hat mit Lars Geipel
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Handball gilt als eine der härtesten Sportarten der Welt. Wie kommt man gerade in dieser dazu, Schiedsrichter zu werden?
Ich habe mich als Jugendlicher oft geärgert, dass unser Sport viel zu hart ist. Handball darf nicht hart sein, er sollte dynamisch, spektakulär, schnell und technisch versiert sein. Handball ist dann für Sponsoren, Kinder und Zuschauer attraktiv, wenn viele tolle Tore fallen – und nicht, wenn es zu einem Ring- oder Boxkampf ausartet. Das will keiner sehen!
Was ist die größte Herausforderung für einen Handballschiedsrichter gegenüber denen anderer Sportarten?
Handball ist ein schneller und dynamischer Sport, mit 14 Akteuren auf einem 20 Meter breiten und 40 Meter langen Feld. In keiner anderen Sportart müssen Schiedsrichter auf engstem Raum so viele Zweikämpfe beurteilen, so viele Entscheidungen treffen. Zudem sind die Zuschauer unheimlich nah am Spielfeld und sorgen für Stimmung. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es schon außergewöhnlich anspruchsvoll, immer nachvollziehbare und vor allem richtige Entscheidungen über 60 Minuten zu treffen. Ich glaube, Handball-Unparteiische haben als Schiedsrichter den schwierigsten Job auf der Welt.
Seit Montag gibt es eine Debatte um den Videobeweis.
Grundsätzlich bin ich ein großer Befürworter des Videobeweises. Technische Mittel, die helfen, die richige Entscheidung in spielentscheidenden Situationen zu treffen, bringen jede Sportart weiter. Wir selbst haben schon beim Champions-League-Halbfinale 2016 zwischen Kielce und Paris Saint-Germain davon profitiert, als ein Foul hinter unserem Rücken passierte. Aber natürlich ist es noch ein weiter Weg, bis der Videobeweis optimal eingesetzt wird. Im Handball, aber auch im Fußball, stehen wir da noch am Anfang. Da ist sicher die Entwicklung, wie der Videobeweis eingesetzt werden sollte, noch nicht am Ende.
Wieso wird der Videobeweis im Handball relativ selten eingesetzt ?
Weil er nur in ganz spielentscheidenden Situationen eingesetzt werden darf und soll – wie am Montagabend.
Wieso hat die Entscheidung am Montag gefühlt so lange gedauert?
Warum es am Montagabend so lange gedauert hat, kann ich nicht sagen. Es kommt aber immer ganz darauf an, wie schnell die verschiedenen Kameraeinstellungen zur Verfügung stehen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten agieren Schiedsrichter beim Handball als gleichberechtigte Partner. Wie funktioniert das?
Das funktioniert, weil wir als Schiedsrichter-Paar seit 25 Jahren zusammen pfeifen und uns in und auswendig kennen. Ich weiß genau, was Marcus pfeift – und andersherum. Zudem gibt es ganz klare Aufgabengebiete und wir haben auch noch ein Headset, über das wir kommunizieren können. Das funktioniert in dieser Kombination sehr gut.