Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Im deutschen Hexenkessel
„Nur Gott kann mich richten“zeigt Frankfurts Gangstermilieu, wie es lebt – und kämpft
Gangsterfilme funktionieren auch in Deutschland. Das beweist Özgür Yildirim mit dem Drama, das den pathetischen Titel „Nur Gott kann mich richten“trägt. Moritz Bleibtreu spielt darin nicht nur die Hauptrolle, einen Frankfurter Kriminellen aus dem Migrantenmilieu. Er hat den Film auch mitproduziert.
Vor zehn Jahren bot Özgür Yildirim in seinem Film „Chiko“harte und natürlich cineastisch überhöhte Einblicke ins Hamburger Gangstermilieu. Fatih Akin produzierte das Drama, Moritz Bleibtreu spielte die Hauptrolle des „Brownie“. Für unvoreingenommene Zuschauer funktionierte das riskante Experiment eines deutschen Gangsterfilms prächtig. Die Gewaltdarstellung, die das Genre impliziert und die man in amerikanischen Produktionen quasi voraussetzt, wurde reflexartig kritisiert. Vielleicht ist der Gedanke einfach unbehaglich, dass nicht nur in Manhattan scharf geschossen wird, sondern auch hierzulande. Wie in Yildirims neuem Film, nun allerdings nicht mehr in Hamburg, sondern in der Bankenstadt Frankfurt.
Ricky (Moritz Bleibtreu) hat fünf Jahre lang im Knast gesessen. Nun will er noch einmal neu anfangen. Und diesmal sogar legal. Dazu benötigt er dringend Startkapital. Doch Ricky kennt nur die falschen Leute und nur kriminelle Wege, um an Geld zu gelangen. Kaum in Freiheit, lässt er sich zu einem Coup überreden, der natürlich sein letzter sein soll. Aber die Unternehmung schlägt fehl. Der zu allem fähige Auftraggeber ist nicht amüsiert. Wenn es Ricky nicht gelingt, den Verlust in kürzester Frist auszugleichen, ist sein Leben und auch das seines labilen Bruders Rafael (Edin Hasanovic) keinen Pfifferling mehr wert.
Diana Dunker (Birgit Minichmayr) kämpft indes an allen Fronten. Bei ihrer Arbeit hat es die Polizistin mit den ganz schweren Jungs aus der Szene zu tun, zu Hause wartet ihre kleine Tochter auf sie, die an einer lebensgefährlichen Herzkrankheit leidet. Für 30 000 Euro könnte Diana einen Spitzenplatz auf der Organspenderliste erkaufen. Als die verzweifelte Mutter sichergestelltes Heroin unterschlägt, wird sie in den Sumpf gezogen, in dem Ricky und Co. längst ums Überleben kämpfen.
„Nur Gott kann mich richten“ist ein international konkurrenzfähiges Gangsterdrama mit Actionelementen, das direkt in die Halbwelt der Boxclubs, Spielhallen und Bars führt. Die brillant eingefangene, bedrohliche Atmosphäre in Verbindung mit einem pulsierenden Soundtrack sorgt beim Zuschauer für ein stetes Gefühl innerer Anspannung. Neben großartigen Schauspielern wie Birgit Minichmayr und Peter Simonischek sorgen etliche Underdogs des wahren Lebens für Authentizität.
Natürlich wird manche Szene bewusst überspitzt, etwa der Showdown. Aber das gehört ebenso zum Genre wie die Tatsache, dass die bösen Jungs aus aller Herren Länder stammen. Es sind die emotionalen Szenen zwischen Mutter und Tochter oder zwischen Ricky und seinem dementen Vater, die für Bodenhaftung sorgen.
Nur Gott kann mich richten. Regie: Özgür Yildirim. Mit Moritz Bleibtreu, Birgit Minichmayr, Edin Hasanovic. Deutschland 2017. 100 Minuten. FSK ab 16.