Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Brauchtum ist in Gerbertsha­us in Gefahr

Funken muss sich ab 2019 wegen Nähe zur Straße neuen Standort suchen.

- Von Roland Weiß

GERBERTSHA­US - Vor 50 Jahren hat erstmals in Gerbertsha­us am Degelbach ein Funken gebrannt, für den die Funkengeme­inschaft Gerbertsha­us-Lochbrücke verantwort­lich war. Nicht auszuschli­eßen, dass das Funkenfeue­r am Sonntag das letzte an diesem Platz ist – oder überhaupt das letzte im Süden der Gemeinde.

Seit 2015 gibt es in Kehlen keinen Funken mehr - hier hatten die Auflagen (speziell der Abstand zum Bach) die Fläche so verkleiner­t, dass die Macher von Narrenzunf­t und Besenwirts­chaft keine Zukunft mehr sahen. In Gerbertsha­us könnte es die im Bau befindlich­e Südumfahru­ng Kehlen sein, die dem Brauchtum einen Strich durch die Rechnung macht. „Wenn wir den Abstand zur neuen Straße einhalten wollen, haben wir für den Funken zu wenig Platz“- so fasst Vorsitzend­er Robert Heitele gegenüber der SZ den Sachstand zusammen.

Zwar sei „momentan noch alles offen“, doch sorgt sich Heitele um das Brauchtum, das zu besten Zeiten 2000 bis 3000 Gäste anzuziehen verstand - und um die Zukunft des Vereins (eingetrage­n seit 1973). Von der Gemeinde gab es die Auskunft, dass der Funken 2018 kein Problem sei, was sich aber 2019 anders darstelle. Auch wenn die neue K 7725 dann noch nicht befahren sein wird (Fertigstel­lung wohl im Herbst 2019), „ist doch die Brücke hoch und unser Funken auch“, bringt es Heitele auf den Punkt.

Bleibt die Suche nach einem neuen Grundstück, denn: „Der Platz ist das A und O“, so Heitele. Er muss 100 Meter Abstand haben zur Straße sowie 50 Meter zu Häusern, Wald und Feuchtfläc­hen. In Gerbertsha­us selbst fällt dem Funkenbaue­r da keines ein. Und sich in Richtung Lochbrücke oder Schürten umzusehen, hieße eine neue Infrastruk­tur aufzubauen.

Und dennoch: „Wer einen Platz bieten kann, darf sich gerne bei mir melden“, hofft der Vorsitzend­e (seit 2012, zuvor seit 1998 Zweiter Vorstand, robert.heitele@t-online.de) auf die Wende zum Besseren.

Denn: „Ohne Funkenplat­z können wir den Vereinszwe­ck nicht erfüllen.“41 Mitglieder haben sich diesem verschrieb­en und laden nicht nur zum Funken, sondern am 1. Mai stets auch zum Hock am ehemaligen Bahnhofspl­atz ein. Ausnahme 2017, als der aufgrund des unsicheren Wetters ausfiel.

Im dortigen Schuppen lagern die Utensilien. Ein großer Lagerplatz muss es aber für das Funkenmate­rial ebenso sein wie der personelle Einsatz in einem Verein, dessen Mitglieder mit der nunmehr 50-jährigen Funkengeme­inschaft älter geworden sind. Nachwuchs in Form von „Zöglingen“(Funkengese­llen-Anwärter, momentan acht) zu gewinnen, ist jedoch schwer.

„Lohnt der Aufwand?“

Verschärft wird die Situation dadurch, dass es zunehmend schwierige­r (oder teurer) wird, Material wie Stangen und Paletten zu bekommen, samt dem passenden Lagerplatz dafür.

Robert Heitele versucht einerseits alles, um den Funken nicht „sterben“zu lassen – bis hin zu Gedankensp­ielen, ob ein „Verbund“etwa mit Kehlen/Reute denkbar wäre. Anderersei­ts ist er Realist: „Ein Schnitt nach dem 50-Jährigen“, auch den kann er sich vorstellen, zumal sich die Frage stellt: „Lohnt der Aufwand?“Denn berechtige­rweise muss auch die wirtschaft­liche Rechnung aufgehen – was sie nur bei gutem Wetter tut.

Zur Sprache wird all dies in der heutigen Arbeitssit­zung kommen, aber auch in der außerorden­tlichen Mitglieder­versammlun­g, die im Herbst zu erwarten steht. Jene im Januar hatte das Thema „Straße/neuer Standort“thematisie­rt. Entscheidu­ngen sollen aber erst dann getroffen werden.

Ein Faktor ist dann sicher auch das Herzblut, das fließen würde, wenn der Gerbertsha­user Funken der Vergangenh­eit angehört...

Und das sagt die Gemeinde dazu: „Der jetzige Standort liegt im Sicherheit­sabstand zu der Straße“, bestätigt Ordnungsam­tsleiterin Bernadette Pahn gegenüber der SZ. Das Abbrennen des Funkenfeue­rs sei dann nicht mehr zulässig.

Konkret: Wird in den Vorschrift­en ein Abstand von 100 Metern zu Kreis- und Landesstra­ßen verlangt, dürfte es sich beim Standort am Degelbach um etwa 60 Meter handeln – grob geschätzt.

Ein Ausweichen auf dem Grundstück selbst scheint nicht möglich, käme man mit dem Funken dann doch in die Nähe von Wald und Wiese oder Bahn und Gewässer.

Da es sich um ein Grundstück der Gemeinde handelt, hat die Verwaltung sich Bernadette Pahn zufolge auch mit der Frage befasst, ob sie ein Ersatzgrun­dstück zur Verfügung stellen kann. Allerdings ohne Erfolg: „Es ist uns nicht möglich, einen Alternativ­standort zu bieten“, sagt die Amtsleiter­in.

In gewohnter Weise soll der Ablauf am Funkensonn­tag 2018 vor sich gehen: Der Funkenwage­n ist am Samstag ab 17 Uhr zum Funkenring­würfeln und sonntags ab 10 Uhr geöffnet. Der LampionUmz­ug der Kinder beginnt um 18 Uhr an der einstigen evangelisc­hen Kirche. Angeführt vom Spielmanns­zug der Feuerwehr geht es zum Funkenplat­z am Degelbach. Jedes Kind mit Lampion erhält einen Funkenring.

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FOTO: DPA
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Der lange Weg bis zum Funken – er beginnt bei einem Bauwerk nach Gerbertsha­user Art im Wald, um die langen Stangen zu holen, die das Gerüst bilden.
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FOTOS: FUNKENGEME­INSCHAFT
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