Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Kapsel in der Kritik
Portionierter Kaffee liegt im Trend, gilt aber als Umweltfrevel – Dabei wiegen andere Faktoren schwerer
RAVENSBURG - Deutschland, Land der Kaffeetrinker – kein Getränk lieben die Deutschen so sehr wie das schwarze Heißgetränk, gerne mit einem Schuss Milch. Knapp 66 Prozent der Bevölkerung trinkt regelmäßig Kaffee, pro Kopf geht man von 162 Litern im Jahr aus. Beliebt war Kaffee schon immer, rasant verändert haben sich jedoch die Zubereitungsformen. War einst der aufgebrühte Filterkaffee die einzige Wahl, gibt es heute, nicht zuletzt von der Industrie befeuert, zahlreiche Methoden. Unter ihnen stechen die Kaffeekapseln hervor, die für unkomplizierten Konsum und Lifestyle stehen – aber auch für einen Umweltfrevel. So warnt die Deutsche Umwelthilfe: „Kaffeekapseln sind auf dem Vormarsch – mit tonnenschweren Folgen für die Umwelt.“Und verweist darauf, dass auf „sechs Gramm Kaffee stolze fünf Gramm Verpackung“kommen. Überdies ist laut dem Deutschen Kaffeeverband der Anteil an Kaffeekapseln in den letzten zehn Jahren von 800 auf 17 750 Tonnen angestiegen, demnach verbrauchen die Deutschen schätzungsweise zwei Milliarden Kapseln pro Jahr, Tendenz stark steigend. Dazu „Stiftung Warentest“: „Umweltschutz sieht anders aus.“
Zubereitungsarten im Test
Aber ist der Gebrauch von Kaffeekapseln tatsächlich eine Umweltsünde? Und welche Art des Kaffeekonsums belastet die Umwelt am wenigsten? Das Schweizer Forschungsinstitut Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) hat sich in der Vergangenheit verschiedentlich mit der Frage Kaffeekonsum und Ökobilanz auseinandergesetzt – und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Zunächst zu den Zubereitungsmethoden.
Filterkaffee: Der gute alte Filterkaffee ist in der Regel die umweltfreundlichste Zubereitungsart, bei überschaubarem Energieverbrauch und einer problemlosen Kompostierung von Filter und Kaffeesatz. Empa-Ökobilanz-Experte Roland Hischier schränkt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“jedoch ein: „Häufig wird eine zu hohe Menge Kaffee pro Tasse aufgebrüht und/oder am Ende kalt gewordener Kaffee weggeschüttet – das kann die Ökobilanz erheblich mindern.“
Löslicher Kaffee/Kaffeevollautomat: Löslicher Kaffee hat eine ähnlich gute Ökobilanz wie Filterkaffee, allerdings nur, wenn nicht zu viel Kaffeepulver pro Tasse verwendet wird, so die Empas-Studien. Auch Vollautomaten mit Mahlwerk seien oft so eingestellt, dass der Verbrauch an Bohnen pro Tasse zu hoch sei.
Kaffeepads: Portioniert den Kaffee in kleinen Filtern, was sich ähnlich gut kompostieren lässt wie Filterkaffee. Allerdings werden die Pads oftmals einzeln in Kunststoff verpackt – ökologisch ein Minus.
Kaffeekapseln: Geschmacklich sollen sie den Pads überlegen sein. Und in der Ökobilanz? Der Marktführer Nespresso (Nestlé) setzt auf Aluminiumkapseln. Nachteil: Zur Gewinnung von einem Kilo Aluminium aus Bauxit ist ein Stromverbrauch von 14 Kilowattstunden nötig, was alleine acht Kilogramm Kohlendioxid freisetzt. Vorteil: „Aluminium ist sehr gut recycelbar“, sagt Hischier. Was sich sehr gut auf die Ökobilanz auswirken kann. Vorteil auch: Alukapseln erhalten das Aroma, der Kaffee ist gut gemahlen, und das heiße Wasser schießt mit hohem Druck durch – über diese Faktoren braucht es nur eine geringe Menge Kaffee, perfekt für den Profit, aber auch für die Ökobilanz.
Andere Kapselsysteme:
Praktisch alle Supermarktketten und Kaffeeanbieter haben jeweils ein eigenes System. Viele basieren auf Plastik, die Kapseln sind schwer und landen womöglich in der Müllverbrennung, was der Ökobilanz schadet. Es gibt auch Kapseln aus Plastik mit Aludeckel, was die Wiederverwertung des Aluminiums erschwert.
Der Kaffee selbst:
Was bei den Studien wohl am meisten überrascht und auch manch Umweltbewussten ins Grübeln bringt: „Die Verpackung des Kaffees ist bei der Ökobilanz nicht entscheidend“, betont Hischier. Bei Espresso etwa schlage die Kapsel gerade mal mit zehn Prozent zu Buche, der Energieverbrauch mit 20. „Mit 70 Prozent ausschlaggebend ist der Kaffee selbst.“Wird die Umwelt doch auf vielen Plantagen durch den unverhältnismäßigen Einsatz von Maschinen belastet, durch Dünger und Pestizide.
Fazit: Die Ökobilanz beim Kaffeekonsum hängt von vielen Faktoren ab. Kapselkaffee beispielsweise kann ökologisch gesehen eine ernsthafte Wahl sein: bei überschaubarem Konsum, sofern das Alu recycelt wird und die Kapsel Kaffee aus nachhaltigem Anbau enthält. Allerdings: Selbst in der Schweiz landet nur jede zweite Kapsel in der Wiederverwertung, die andere Hälfte im Hausmüll.
Davon abgesehen gilt bei allen Zubereitungsarten, so Hischier: „Eine bewusste Kaffeewahl ist auf jeden Fall das Beste für die Umwelt.“Entsprechende Siegel und Informationen der Firmen helfen dabei weiter.