Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Xi ohne Grenzen
China erlebt einen historischen Wandel. Auf die Reform und Öffnung unter Deng Xiaoping folgt jetzt die „neue Ära“von Xi Jinping: Eine Alleinherrschaft mit Personenkult, starker Kontrolle und Repression durch die Partei, wie Kritiker warnen.
Trotz der Bedenken im Volk über eine allzu große Machtfülle in seinen Händen baut Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Herrschaftsgewalt noch weiter aus. Mit Einstimmigkeit ließ sich „Chinas starker Mann“in Peking am Wochenende vom Volkskongress für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigen. Auch erhob das nicht frei gewählte Parlament seinen einflussreichen Verbündeten Wang Qishan (69) zum neuen Vizepräsidenten. Der politisch geschwächte Ministerpräsident Li Keqiang (62), der im Schatten des übermächtigen Staats- und Parteichefs steht, wurde am Sonntag für eine zweite Amtszeit bestätigt.
Als Staats-, Partei- und Militärchef Chinas stützt Xi seine Macht vor allem auf die neue Super-Überwachungsbehörde, die für treue Gefolgschaft im Staatsapparat sorgen soll. Die knapp 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes beförderten am Sonntag seinen 64-jährigen Vertrauten Yang Xiaodu zum Chef der neu geschaffenen „Nationalen Aufsichtskommission“. Das Machtorgan soll gegen Korruption, Dienstvergehen oder auch eine allzu lockere Umsetzung politischer Ziele vorgehen. Der Volkskongress billigte auch den umfassendsten Umbau der Regierung seit langem. Auch wird die Finanzund Bankenaufsicht zusammengelegt. Die neue Superbehörde soll die Finanzbranche besser kontrollieren, um riskante Kreditvergaben und die hohe Verschuldung der Unternehmen einzudämmen.
Xi Jinping ist heute so mächtig wie kein anderer Führer seit Mao Tsetung. Die Erinnerung an die Allmacht des Staatsgründers löst unter Chinesen aber Unbehagen aus, weil er das Land ins Chaos gestürzt hatte. Um die Wiederkehr eines solchen Diktators zu verhindern, hatten seine Erben die Macht verteilt, Partei und Regierung getrennt und eine Nachfolgeregelung eingeführt, die alle zehn Jahre einen Generationswechsel vorsah.
Doch Xi hat das „kollektive Führungsmodell“beendet. Auch verschmelzt er Staat und Partei. Die Partei bekommt wieder die absolute Führungsrolle. Sein „Gedankengut für eine neue Ära des Sozialismus chinesischer Prägung“wurde als Leitidee in der Staatsverfassung verankert. Auch ließ sich der Präsident vom Volkskongress per Verfassungsänderung den Weg freimachen, unbegrenzt viele Amtszeiten herrschen zu können. Das geht vielen Chinesen zu weit, da sie einen „neuen Kaiser“fürchten.
China erlebt damit einen tiefgreifenden, historischen Wandel von der Ära Deng Xiaopings, der in den 1980er-Jahren die Reform und Öffnung und den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes eingeleitet hatte. Der renommierte China-Experte und amerikanische Jurist Jerome Cohen charakterisierte die „neue Ära“Xi Jinpings so: „Eine personalisierte Ein-Mann-Herrschaft verstärkt durch wirksame Parteikontrollen in allen Bereichen des Lebens, wachsende Intoleranz bei abweichenden Meinungen, stärkere direkte Kontrollen der Wirtschaft und noch größere Repression durch die Überwachungskommission.“