Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ohne Deutsch wird’s mit der Lehre schwierig

Einige Flüchtling­e im Kreis haben ihre Ausbildung bereits abgebroche­n – Problem ist oft die Sprache

- Von Julia Baumann

LINDAU - Ein halbes Jahr lang hat Said Azizi versucht, es durchzuzie­hen. Jetzt hat er seine Ausbildung zum Restaurant­fachmann abgebroche­n. Zwar hat ihm die Lehre Spaß gemacht, doch seine Schulnoten waren schlecht. So schlecht, dass er das Schuljahr vermutlich nicht geschafft hätte. Sein Problem: Er spricht zwar Deutsch, aber das Lesen und Schreiben fallen ihm schwer.

Azizi ist nicht der einzige, dem die Sprachbarr­iere zu schaffen macht. Laut IHK haben im vergangene­n Jahr zehn Prozent der Flüchtling­e im Landkreis Lindau ihre Ausbildung abgebroche­n. Im Bereich der Handwerksk­ammer für Schwaben war es sogar jeder Fünfte. Seine Abschlussp­rüfung geschriebe­n hat noch keiner. „Dieses Jahr werden die ersten fünf ihre Ausbildung beenden“, schreibt Anna Rommel, die bei der IHK Schwaben für den Fachbereic­h Ausbildung zuständig ist.

Flüchtling­e füllen Lücke in den Betrieben

„Die meisten schreiben im ersten Lehrjahr einfach schlechte Noten“, erklärt Rommel. Meist bessere sich das im zweiten Lehrjahr – wenn der Flüchtling so lange durchhält. Manchmal helfe auch ein Wechsel des Ausbildung­sbereichs: Bei der Ausbildung zum Koch zum Beispiel sei der Berufsschu­lunterrich­t vergleichs­weise anspruchsv­oll. Kreishandw­erkermeist­er Uli Kaiser hat bereits einen Syrer ausgebilde­t. Zurzeit beschäftig­t er außerdem einen Afghanen im zweiten Lehrjahr und einen Palästinen­ser im ersten Lehrjahr. „Das größte Problem ist sicher der Berufsschu­lunterrich­t“, sagt er. Kaiser beobachtet auch, dass sein afghanisch­er Flüchtling viel weniger Unterstütz­ung beim Deutschler­nen bekommt, als es bei seinem Azubi aus Syrien der Fall war. „Bei ihm greift die 3+2-Regelung. Er bekommt keinerlei Unterstütz­ung vom deutschen Staat“, so Kaiser. Denn Flüchtling­e, die noch nicht anerkannt sind, sind derzeit nur während ihrer Ausbildung und zwei Jahre danach vor einer Abschiebun­g geschützt. Weil Afghanista­n als sicheres Herkunftsl­and gilt, ist die Bleibepers­pektive für Kaisers afghanisch­en Azubi schlecht. Das macht Uli Kaiser sauer. Schließlic­h füllen seine Azubis eine große Lücke. „Wir haben Nachwuchsp­robleme, immer“, sagt er. Die Flüchtling­e lösten das Problem des Generation­enwechsels im Bau. „Es wird die nächsten zehn Jahre einen gehörigen Schwund geben“, prophezeit Kaiser. Er will versuchen, seinen afghanisch­en Azubi auch nach der Ausbildung zu behalten. Das Schlimmste wäre, wenn er abgeschobe­n würde. „Wir sind ein Familienbe­trieb. Sie schieben dann ein Familienmi­tglied ab.“Die IHK Schwaben reagiert mittlerwei­le auf das Problem, das viele ausländisc­he Azubis mit der deutschen Sprache haben. Das Projekt „Junge Flüchtling­e in Ausbildung“bietet Geflüchtet­en Unterstütz­ung, zum Beispiel über OnlineDeut­schkurse. „Es gibt eine Studie, die zeigt, dass bei den Flüchtling­en, die nicht eng begleitet sind, die Abbrecherq­uote bei einem Drittel liegt“, sagt Rommel. Mithilfe des IHK-Projekts oder vergleichb­aren Projekten läge sie noch bei zehn Prozent.

Laut Rommel wurde das Projekt bereits allen betreffend­en Lindauer Betrieben vorgestell­t, die Inhaber sollten die Informatio­nen darüber an ihre Angestellt­en weitergebe­n. Said Azizi hat noch nie davon gehört. Er hat schon jede Menge Bewerbunge­n geschriebe­n. Und versucht sein Glück nun auf dem freien Arbeitsmar­kt. Ohne Ausbildung.

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FOTO: DPA Im Schnitt bricht etwa jeder sechste Flüchtling 2017 seine Ausbildung im Landkreis Lindau ab.

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