Schwäbische Zeitung (Tettnang)
An den Rändern der leiblichen Existenz
Die Kreisgalerie Meßkirch widmet Peter Guth eine Werkschau
MESSKIRCH - Dem Künstler und Kunsterzieher Peter Guth (19572006), geboren in Mengen und nach dem Studium an der Akademie und der Universität in Stuttgart ab 1985 ansässig in Ellwangen, war kein langes Leben vergönnt. Dennoch hat er, der unermüdlich als Lehrer und Kunstvermittler künstlerisch arbeitete, ein beachtliches Werk hinterlassen. Zu seinem Gedächtnis richtete ihm nun die Kreisgalerie Schloss Meßkirch eine beeindruckende Schau unter dem Titel „Werden und Vergehen“aus.
Es sind überwiegend große Formate ausgestellt. Und bereits von den ersten rechteckigen Holzschnitten geht eine eigentümliche Wirkung aus. Auf schmalem schwarzen Grund leuchten da weiße Schnittspuren, nur leicht in den Stamm der „Saulgauer Buche“graviert, mehr Zeichen als Form. Gegenüber hängen zwei Abdrucke eines Leinenkittels – ausgebreitet wie ein „Heiliger Rock“, zusammengefaltet am Haken hängend: selbst im grauweißen Abdruck ist noch die Leimfarbe spürbar, mit der das Textilmaterial verfestigt wurde. Sind das Mementos eines Menschen, eines Stücks Natur? Der Abdruck einer Backschaufel erschließt sich hingegen nicht sofort dem Betrachter – zu weit weg vom heute visuell Vertrauten, gleichsam archaisch abstrakt.
Peter Guth färbte vorgefundenes und gesammeltes Material wie Baumscheiben, Stammabschnitte, alte Dielenböden, Bettladen oder Grabkreuze ein und druckte diese von Hand auf feine Leinwand oder groben Rupfen, seltener auf Papier. Oft ist es ein reiner Abdruck, ebenso häufig jedoch setzt Guth Schnitte ins Holz, eine zusätzliche dynamische Struktur oder figürliche Schemen. Mit Farben war er sparsam: vorherrschend ist eine dunkle, oft grauschwarze Palette mit wenigen blassen Blau- oder Rottönen, selten in Kontrast gesetzt, sondern als halbtransparente Schichten übereinander gelegt. So erhalten die ungleichmäßigen Kreisformen der Stammabschnitte oder die Abdrücke von Dielenböden in der Reihe „Tanzboden“im wandfüllenden Format mal eine quasi architektonische Fassung oder sie wirken in ihrer horizontalen Reihung wie eine Art Notenlinien einer unlesbaren Partitur; eingeschnittene Kreisformen versinnbildlichen die auf ihnen erfolgte Tanzbewegung.
Mitten in der Ausstellung steht ein Unikat: der „Turm der Künste“aus allen möglichen Objets trouvés, 1993 entstanden als Protest gegen die drohende Schließung der Galerie der Stadt Sindelfingen – ein Skandal, nachdem diese erst zwei Jahre vorher eröffnet worden war.
Vom Dunklen zum Hellen
Zwei Werkreihen fallen in der Ausstellung besonders ins Gewicht. Das sind zum einen die sechs großformatigen Arbeiten in Mischtechniken mit dem Thema „Öffnung“(19951999), die sich vom Dunklen zum Hellen, zum starken Farbkontrast hin entwickeln. Es sind Kirchenfenster (aus dem Kreuzgang von St. Vitus in Ellwangen) mit angedeutetem gotischem Maßwerk, Dreipass-Formen und Armierung. Mal spielt der Durchblick in eine hellgrüne Umgebung, mal die vielschichtig dunkle Verschattung die Hauptrolle. Im letzten Bild der Reihe, die von der Stadt Ellwangen ausgeliehen wurde, reißt gleichsam der Himmel auf und färbt sich hinter dem dunklen Fensterrahmen tiefblau – ein rarer Moment der Farbe in Guths Arbeiten. Die andere Entdeckung sind zwei Serien von Köpfen unter dem Titel „Sichten“(2003/2004), in schwarzer Tusche auf Papier. Eher als reale Gesichter sind es Schemen, mehr Masken als Menschen, zumal nur Kopfumriss und Front, oft mit leeren Augenhöhlen, ohne Ohren und Hälse zu sehen sind. Sie wirken wie Totenmasken. Wie überhaupt die Werkschau in ihrer symbolhaften Unfarbigkeit ein transzendierendes Memento mori darstellt – abgelaufene Zeit, ausgelebtes Leben in einer nur noch marginal und ausgebleicht erhaltenen Materialität.
Bis zum 17. Juni in der Kreisgalerie in Schloss Meßkirch, Öffnungszeiten: Fr.-So. und Fei. 13-17 Uhr, Führungen: 8. April und 13. Mai, um 15 Uhr. Internet: www.schlossmesskirch.de/kreisgalerie