Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Thrombosen kann jeder bekommen
Warnhinweise sind schwere Beine und Schmerzen, ähnlich einem Muskelkater
MÜNCHEN - Bettlägerigkeit oder langes Sitzen im Flieger – immer wieder liest man in Zusammenhang mit solchen Fällen von einem erhöhten Thromboserisiko. Die Blutgerinnsel in den Venen gelten als typische Erkrankung von älteren Menschen. Doch das sei ein Irrglaube, sagt Markus Stücker, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (Venenerkrankungen) und leitender Arzt am Venenzentrum Bochum. „Thrombosen können prinzipiell jeden treffen.“Auch fitte junge Männer und Frauen. Wird das Problem übersehen und nicht rechtzeitig behandelt, kann eine Lungenembolie die Folge sein. Bei dieser lebensbedrohlichen Komplikation lösen sich Teile des Blutgerinnsels und gelangen in die Lunge.
Haben sich die Blutgerinnsel in den Venen erst einmal gebildet, können sie nach und nach immer mehr anwachsen – bis sie den Blutfluss im Gefäß teilweise oder ganz stoppen. Grundsätzlich können Thrombosen an verschiedenen Körperstellen oder Organen auftreten. In den meisten Fällen entstehen sie jedoch im Bereich der Beine, denn hier fließt das Blut am langsamsten. Die klassischen Warnhinweise sind ein Schweregefühl in den Beinen und Schmerzen, die einem Muskelkater ähneln. Mitunter kommen noch Verfärbungen hinzu. Manchmal fühlt sich ein Bein wärmer an als das andere.
Thrombose wird manchmal mit Muskelkater verwechselt
Doch nicht jede Thrombose verursacht sofort Schmerzen, und nicht immer sind die Symptome eindeutig, weiß Stücker : „Patienten können eine Thrombose leicht mit einem Muskelkater oder einem Muskelfaserriss verwechseln.“Als Faustregel für die Unterscheidung gelte: Muskelkater setzt schlagartig nach sportlicher Belastung ein, Thromboseschmerzen entwickeln sich schleichend. Auch wenn der Schmerz nur an einem Bein auftritt und dieses anschwillt, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen. „Die Diagnose wird mit Ultraschall gestellt, da kann man sehr treffsicher diagnostizieren“, sagt Stücker. Bei einem Verdacht sei eine Kontrolluntersuchung nach wenigen Tagen sinnvoll.
Dass die Thrombose auch junge Leute trifft, verwundert nicht wirklich, denn die auslösenden Faktoren gelten für Jung und Alt. „Zu solchen Faktoren zählen mehr als vier Stunden Sitzen im Flieger oder ununterbrochene Bus- und Autofahrten mit einer Dauer von mehr als sechs Stunden“, erklärt Stücker. Sind die Beine stark angewinkelt, klemmen sie die Gefäße ein und stören so einen reibungslosen Blutfluss.
Ein weiterer Risikofaktor ist Bettlägerigkeit, etwa nach einem medizinischen Eingriff . Auch die Einnahme der Anti-Baby-Pille kann zur Bildung von Blutgerinnseln führen. Zusätzlich erhöhen Rauchen oder Bewegungsmangel die Gefahr einer Thrombosebildung. Als weitere Probleme nennt Venenspezialist Stücker vor allem Übergewicht und Krampfadern. „Jede fünfte Frau und jeder sechste Mann hat ein behandlungsbedürftiges Venenleiden. Krampfadern sind nicht nur kosmetische Störungen, sondern auch ein Risikofaktor für Thrombosen, weshalb sie behandelt gehören.“
Frühzeitig entdeckt, lassen sich Gerinnsel durch eine gezielte Therapie auflösen. In bis zu 60 Prozent aller Fälle entwickelt sich jedoch aus der Thrombose eine Lungenembolie. Dabei löst sich ein Teil des Blutgerinnsels und wandert mit dem Blutstrom in die Lunge, wo es dann ebenfalls ein Gefäß verstopfen kann. Schmerzen in der Brust, Atemnot oder gar blutiger Husten sind typische Kennzeichen und fordern sofortiges Handeln. Bis zu sechs Prozent der Lungenembolien enden innerhalb der ersten zwei Stunden tödlich.
Wer einmal eine Thrombose hatte, gilt als dauerhaft gefährdet
Experten schätzen, dass jedes Jahr in Deutschland bis zu 100 000 Menschen an den Folgen einer Thrombose sterben. Betroffene sollten deshalb bei ersten Anzeichen einer Thrombose vorsorglich einen Venen-Facharzt, den sogenannten Phlebologen, aufsuchen.
Standardtherapie ist die Einnahme von Medikamenten, mit deren Hilfe die Blutgerinnung gehemmt wird. Als zweiter Teil jeder Behandlung gilt die Kompressionstherapie, das Tragen eines Kompressionsstrumpfes oder -verbandes. Ihr Druck entlastet die Venen und beschleunigt den Blutfluss.
Wer einmal eine Thrombose hatte, ist meist ein Leben lang gefährdet. Daher ist eine gute Vorbeugung extrem wichtig. Und dazu zählt vor allem ausreichende Bewegung, denn in gut durchbluteten Gefäßen bilden sich erst gar keine Gerinnsel.
Selbst wer eingezwängt im Flieger sitzt, kann mit kleinen Übungen den Blutfluss in Gang bringen, weiß Stücker: „Aktivieren Sie die Wadenmuskulatur, indem Sie die Füße anspannen und wieder locker lassen.“Viel Wasser trinken ist ebenfalls ein einfaches, aber geeignetes Mittel. Auch Kompressionsstrümpfe – „da reichen Kniestrümpfe aus“– dienen der Prävention. Wer in der Vergangenheit bereits unter einer Thrombose litt, sollte mit seinem Arzt Vorsorgemaßnahmen besprechen.