Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ausnahmeregisseur
Die Filmwelt trauert um OscarGewinner Milos Forman.
LOS ANGELES (dpa) - Ob „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Amadeus“oder „Hair“– Milos Forman war ein Ausnahmeregisseur und vielfach preisgekrönt. Schon sein erstes Hollywood-Projekt wurde in Cannes ausgezeichnet, später bekam er zwei Oscars. Am Freitag ist Forman im Alter von 86 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben, wie seine Frau Martina der tschechischen Nachrichtenagentur CTK am Samstag bestätigte.
Kollegen und Fans trauern um den gefeierten Regisseur. „Ein Genie der Kameraführung und ein Meister der Darstellung des menschlichen Daseins“, schrieb der spanische Filmstar Antonio Banderas auf Twitter. US-Schauspielerin Mia Farrow würdigte Forman als brillanten Filmemacher, der zugleich „stets liebenswürdig, großzügig, bescheiden und loyal“war. Für Ron Howard war er „einer der wahrhaft größten Filmemacher der Welt“. Seht euch am Wochenende einen seiner Filme an, um ihn zu würdigen, empfahl der Regisseur auf Twitter.
„Was für ein Mann“
„Milos der Großartige“, begeisterte sich Danny DeVito in einem Tweet. „Er war ein guter Freund und ich werde ihn vermissen“, teilte der Schauspieler weiter mit. DeVito und Jim Carrey waren Co-Stars in Formans Film „Der Mondmann“(1999) über das Leben des Komikers Andy Kaufman. Mit ihm zu arbeiten sei ein „gewaltiges Erlebnis“gewesen, schrieb Carrey auf Twitter. „Was für eine Kraft. Ein großartiger Mann“.
Als Forman 1976 mit seinem ersten Oscar für „Einer flog über das Kuckucksnest“in der Hand seiner Wahlheimat, den USA, für die Auszeichnung dankte, war der tschechische Akzent noch deutlich zu hören. „Amerika ist immer noch ein wunderbares, gastfreundliches und offenes Land“, schwärmte der Regisseur vor versammelter HollywoodProminenz.
Acht Jahre zuvor war er aus der damaligen Tschechoslowakei in die USA emigriert, nachdem sowjetische Panzer 1968 den Prager Frühling niederwälzten. Bei der Oscarverleihung im März 1976 setzte sich Forman gegen Star-Regisseure wie Robert Altman, Federico Fellini und Stanley Kubrick durch. Sein Psychodrama „Einer flog über das Kuckucksnest“gewann fünf Oscars, darunter für Regie, Hauptdarsteller Jack Nicholson und als bester Film.
Forman, der zweimal Vater von Zwillingssöhnen war, lebte zuletzt mit seiner dritten Ehefrau und den jüngeren, 1998 geborenen Söhnen im US-Staat Connecticut.
Forman wurde 1932 in Mittelböhmen als jüngster Sohn eines Lehrers geboren. Er war acht Jahre alt, als seine Eltern von der Gestapo verhaftet wurden, beide kamen in Konzentrationslagern ums Leben. An der Prager Filmakademie lernte Forman sein Handwerk. Mit Filmsatiren wie „Die Liebe einer Blondine“(1965) und „Der Feuerwehrball“(1967) zählte er zu den Vorreitern der experimentierfreudigen Neuen Welle des tschechoslowakischen Films.
Sein erstes Hollywood-Projekt, die Generationen-Satire „Taking Off“(1971), holte zwar beim CannesFestival einen Jury-Preis, floppte aber an den amerikanischen Kinokassen. Für Forman begann eine Durststrecke, in der er seinen Arbeitsvertrag verlor und um die Aufenthaltserlaubnis bangte. „Ich wartete auf das Angebot, das mein Leben ändern sollte, und in der Zwischenzeit akzeptierte ich alles, was ich kriegen konnte, bis hin zum GratisMittagessen“, blickte er in seiner Biografie zurück.
Kontroverse Stoffe
Mit „Einer flog über das Kuckucksnest“wendete sich das Blatt. Mit der Mozart-Biografie „Amadeus“(1984) besiegelte er seinen Erfolg in Hollywood. Der Film, der das Musik-Genie in einem neuen, nicht nur freundlichen Licht zeigt, gewann acht Oscars – auch für die beste Regie.
Forman ging kontroverse Stoffe mutig an und führte häufig die Kehrseiten seiner Figuren vor. Bei „Amadeus“stellte er den Konflikt zwischen den Musik-Rivalen Salieri und Mozart in den Mittelpunkt. Mit „Kuckucksnest“entfachte er eine Debatte über den Umgang mit psychisch kranken Menschen. „Larry Flynt – Die nackte Wahrheit“, die Geschichte des US-Verlegers des Pornoblattes „Hustler“, löste eine heftige Diskussion um dessen Rolle als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit aus. Bei der Berlinale 1997 gab es dafür den Goldenen Bären. Flynt würdigte Forman am Samstag als einen der „wahrhaften Visionäre“. Er werde ihm immer dankbar sein, seine Geschichte in dem Film zu erzählen.
2012 meldete sich Forman aber noch einmal zurück, diesmal vor der Kamera. An der Seite von Catherine Deneuve und ihrer Tochter Chiara Mastroianni trat der Gelegenheitsschauspieler in der französischen Musikromanze „Les Bien-Aimés“(„Die Liebenden – von der Last glücklich zu sein“) auf. Der Film spielt in Paris, Prag, London und den USA. In der Rolle eines gealterten tschechischen Liebhabers kehrte Forman zu seinen Wurzeln zurück.