Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Richter Martin Hussels reißt zwischenzeitlich der Geduldsfaden
32-jähriger Asylbewerber muss sich in 26 Punkten vor dem Amtsgericht verantworten
TETTNANG/FRIEDRICHSHAFEN Rund fünf Stunden hat Martin Hussels, Richter am Tettnanger Amtsgericht, am Montagnachmittag versucht, Licht in die umfangreiche Anklageschrift gegen einen 32-Jährigen zu bringen. Hausfriedensbruch, vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, Brandlegung – in insgesamt 26 Punkten muss sich der Asylbewerber aus Syrien verantworten. Zwischendurch riss dem Richter der Geduldsfaden: „Wollen Sie mich hier eigentlich verarschen?“, herrschte er den jungen Mann an.
Seit zwei Jahren lebt der Flüchtling in Deutschland, ist fünf Mal vorbestraft und sitzt seit vergangenem September in Untersuchungshaft. „Was wollen Sie in Deutschland?“, fragte der Richter. „Ich will arbeiten und ein gutes Leben haben“, antwortete der Angeklagte mithilfe eines Dolmetschers. Da ihm sein Status bisher keine Arbeitserlaubnis ermöglicht, blieb unklar, ob der Mann aus Langeweile, Drogensucht oder krimineller Motivation heraus handelte – oder einer Mischung aus allem. „Deutschland bietet Ihnen Schutz und Geborgenheit – fällt Ihnen da nichts besseres ein, als Straftaten zu begehen?“, so Hussels. Er sei krank und sein Leben hoffnungslos – es tue ihm leid, was passiert sei, so der Angeklagte.
Alle Vorfälle haben sich 2017 zugetragen
Alle Vorfälle sollen sich im vergangenen Jahr zugetragen haben, wie beispielsweise der Hausfriedensbruch in einer Häfler Spielothek, die der Angeklagte trotz Hausverbots betreten haben soll. Als die Polizeibeamten den Mann baten, sich auszuweisen, sei dieser „verbal aggressiv“geworden und habe versucht, das Weite zu suchen. Schließlich habe er sich beim Anlegen der Handschellen heftig gewehrt. Der 32-Jährige erklärte, er habe nicht verstanden, was die Polizisten von ihm gewollt hätten. Zeugen dagegen – auch zu anderen Anklagepunkten – berichteten, dass der Asylbewerber zwar nur gebrochen Deutsch spreche, eine Kommunikation jedoch mit Englisch oder Händen und Füßen durchaus möglich sei.
Immer wieder war der Angeklagte beim Fahren ohne Führerschein erwischt worden, teilweise soll er zudem mit gefälschten Kennzeichen im Bodenseekreis und in Ravensburg unterwegs gewesen sein. Er sei davon ausgegangen, dass sein bisheriger Führerschein hier gültig sei, lautete seine Antwort. Ebenfalls in mehreren Fällen soll der junge Mann Marihuana bei sich gehabt haben, was der Angeklagte am Montag einräumte.
Überhaupt kein Verständnis zeigte Richter Hussels im Hinblick auf die Tankbetrügereien, bei denen der Angeklagte zwar in die Tankstelle ging, um einige Kleinigkeiten zu bezahlen, nicht aber die Benzinrechnung. „Ich habe nicht gewusst, dass ich nicht bezahlt habe“, versuchte der Asylbewerber zu erklären – er habe nicht bar, sondern mit Karte bezahlt. „Wollen Sie mich hier eigentlich verarschen?“, riss Hussels der Geduldsfaden.
„Wollen Sie mich hier eigentlich verarschen?“Richter Martin Hussels
Schließlich ging es darum, eine Körperverletzung vom Seehasenfest 2017 aufzuklären. Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte gegen 23 Uhr einen Jugendlichen, der gemeinsam mit seinem Kumpel in der Häfler Innenstadt auf zwei weitere Freunde auf dem Boden sitzend wartete, von hinten zu Boden gestoßen haben, sodass sich dieser nicht nur abgebrochene Zähne zuzog, sondern auch diverse Schürfwunden davon trug. Doch das Opfer konnte sich nur noch sporadisch an die Geschehnisse erinnern – ob wegen des Schlags oder Alkohol, blieb unklar. Auch seine Freunde widersprachen sich im Zeugenstand – beispielsweise, ob der Stoß von vorne oder hinten kam.