Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zulieferer Prevent will VW verklagen
Schadensersatzanspruch wegen Vertragskündigungen seitens der Wolfsburger soll in die Milliarden gehen
WOLFSBURG (sz) - Der erbitterte Streit zwischen dem Autozulieferer Prevent und Volkswagen eskaliert nach jüngsten Bespitzelungsvorwürfen und der Kündigung von Verträgen weiter. Wie ein Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte, bereite Prevent derzeit eine Schadensersatzklage gegen den VW-Konzern vor.
Die genaue Höhe der Klage stünde zwar noch nicht fest, aber sie werde „im Milliardenbereich liegen“und „in nächster Zeit“eingereicht werden, so der Sprecher weiter. Zunächst hatte die „Süddeutsche Zeitung“darüber berichtet und eine Zahl von zwei Milliarden Euro genannt.
In dem Konflikt geht es um die Nachwehen eines Lieferstopps 2016. Dieser hatte hohe Schäden und Risiken für die Wolfsburger zur Folge. In mehreren VW-Fabriken standen damals die Bänder still, etwa in der Golf-Produktion des Stammwerks Wolfsburg – trotz einstweiliger Verfügungen des Landgerichts Braunschweig, die zur Wiederaufnahme der Belieferung verpflichten sollten.
Kündigung und Kurzarbeit
Im März hatte Prevent nun Kündigungen und Kurzarbeit an seinen eigenen Standorten Schönheide, Plauen und Stendal angekündigt, weil VW Verträge fristlos beendet habe. Der Autobauer hatte dazu erklärt: „Volkswagen ist auf eine jederzeit planbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten angewiesen.“Daher würden bestehende Geschäftsbeziehungen regelmäßig überprüft.
Bezogen auf die Aussetzung der Belieferung 2016 bekräftigte VW im März, es habe sich damals um eine „unrechtmäßige“Aktion von Prevent gehandelt, die den Hersteller in eine Zwangslage gebracht habe. Auch Hogan Lovells stellte die Lage so dar.
In Brasilien hatte es ebenfalls Ärger mit einer Prevent-Tochter gegeben. Die Folge waren 160 Tage Produktionsstopp, ein Minus von 140 000 Fahrzeugen und Zwangsurlaub für rund 18 000 Beschäftigte. Bereits vor eineinhalb Jahren hatte der damalige VW-Konzernchef Matthias Müller angekündigt, die Lieferketten durchleuchten zu lassen, um beim Ausfall zentraler Partner die Schäden begrenzen zu können.
Dann war Mitte April bekannt geworden, dass der Zulieferer wohl im Auftrag von VW durch Detektive ausspioniert worden sein. Die „Bild am Sonntag“berichtete über angeblich bespitzelte Prevent-Mitarbeiter im Auftrag von VW. Der Konzern wies das mit Nachdruck zurück. Man habe Auskünfte im Rahmen des rechtlich Zulässigen einholen lassen. Prevent reagierte mit scharfer Kritik. Nach Informationen der Zeitung sollte eine Firma aus Berlin Informationen zu mehreren Zielpersonen bei Prevent zusammentragen. Dabei seien sogar Privatadressen von Mitgliedern der Eigentümerfamilie und aus dem Management ins Visier genommen worden.
VW erklärte in diesem Zusammenhang, man habe in einer Ausnahmesituation „Recherchen über die (Prevent-)Gruppe in Auftrag gegeben, insbesondere um mehr Transparenz über deren Strukturen und Netzwerk zu bekommen“. Nach allem, was man derzeit wisse, sei dies jedoch „stets im Rahmen der rechtlichen Vorschriften“geschehen. „Dies erfolgte, um unserer Verantwortung für Volkswagen und seine Mitarbeiter gerecht zu werden.“
Aus der Kanzlei Hogan Lovells, die VW in dem Fall berät, hieß es, der beauftragte Dienstleister „sollte zu jeder Zeit möglichst offen auftreten und sämtliche Rechercheschritte schriftlich dokumentieren“.
„In Krisensituationen gehört das zu den Kernaufgaben anwaltlicher Tätigkeit, ist üblich, legal und legitim“, sagte ein Vertreter des Düsseldorfer Anwaltsbüros. Dabei habe man stets betont: Alle gesetzlichen Regeln seien einzuhalten.
Prevent forderte den neuen Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess auf, die Vorwürfe rasch zu untersuchen. „Im Sinne unserer Mitarbeiter und Partner müssen die Verantwortlichen umgehend und abschließend Klarheit schaffen“, ließ das Unternehmen erklären. „Das Vorgehen von VW hat uns zutiefst schockiert, vor allem, weil offenbar auch das Privatleben von Mitarbeitern ausgeforscht wurde.“
Hinter Prevent steht die bosnische Investorenfamilie Hastor, die mit der gescheiterten Machtübernahme beim Autozulieferer Grammer und ihrer Beteiligung am inzwischen insolventen Küchenhersteller Alno für Schlagzeilen gesorgt hatte. Sie betreibt ein weit verzweigtes, internationales Geflecht von Beteiligungen an verschiedenen Firmen.
Der Stuttgarter Autobauer Daimler liegt mit der Prevent-Gruppe in ähnlicher Weise im Clinch. Es geht um einen Schadensersatz-Streit um die Lieferung von Sitzbezügen.