Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Das Erbe eines großen Gelehrten
Mit einer Ausstellung würdigt Köln Ferdinand Franz Wallraf, der vor 200 Jahren sein Testament gemacht hat
KÖLN (KNA) - Er war Priester und Naturwissenschaftler, Archäologe und Universitätsrektor, Weggefährte Goethes und Friedrich Schlegels: Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824). Vor allem aber war der Kölner Bürger ein visionärer Sammler, der in der Umbruchzeit zwischen Feudalismus, französischer Besatzung und Preußenherrschaft zahllose Objekte aus Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur für die Nachwelt sicherte.
Vor 200 Jahren, nämlich am 9. Mai 1818, verfügte Wallraf per Testament, dass seine rund 40 000 Stücke zählende Sammlung „zu ewigen Tagen“in seiner Heimatstadt verbleiben solle. Daran erinnert jetzt die Sonderausstellung „Wallrafs Erbe – Ein Bürger rettet Köln“, die noch bis 8. Juli im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen ist.
„Wallrafs Walhalla“
Gleich zu Beginn steht der Ausstellungsbesucher in „Wallrafs Walhalla“: 16 Sockelvitrinen mit je ein bis zwei Objekten der leihgebenden Museen. Da ist der „Kopf eines heiligen Bischofs“aus dem 12. Jahrhundert vom Museum Schnütgen, ein Erdglobus von 1542 vom Kölnischen Stadtmuseum, die antike Büste einer jungen Frau aus dem Römisch-Germanischen Museum, ein venezianisches Stuckkästchen von 1500 aus dem Museum für Angewandte Kunst oder ein Bergkristall aus dem Geomuseum – an all diesen Orten werden heute Preziosen des großen Sammlers verwahrt. „Wallraf hat in Köln viele Spuren hinterlassen, doch seine vielschichtigen Leistungen sind den meisten Menschen gar kein Begriff. Das wollen wir ändern“, umreißt es Museumsdirektor Marcus Dekiert.
Tatsächlich hat Wallraf, der am 20. Juli 1748 als Sohn eines Schneidermeisters in Köln geboren wird, der Domstadt an unterschiedlichsten Stellen seinen Stempel aufgedrückt. Nach seiner Priesterweihe 1772 promoviert er in Medizin, wird Professor für Botanik, Naturgeschichte und Ästhetik, 1793 schließlich Rektor der Universität Köln. Früh wird ihm der Wert des Sammelns klar. Doch nicht für sich selbst trägt er wertvolle Handschriften, Möbel, Gemälde, Skulpturen, wissenschaftliches Gerät, antike Münzen, Rüstungen und sogar ein versteinertes Vogelnest zusammen, sondern um all das für die – Kölner – Nachwelt zu erhalten.
Als zur Zeit Napoleons mit den Kirchen und Klöstern auch zahllose Kunstschätze zerstört werden sollen, reagiert Wallraf: Er kauft Altarbilder, Figuren und selbst Kirchenfenster auf und bewahrt sie vornehmlich an seinem damaligen Wohnsitz, der Alten Dompropstei, auf.
Den französischen Besatzern verweigert er 1797 zunächst den Treueeid und verliert sein Amt als Unirektor. 1799 holt er den Eid nach; an der statt der Universität neu gegründeten „Ecole Centrale“ist er inzwischen zum Professor für Literatur und Künste ernannt worden.
Auch städteplanerisch beweist er Weitblick: 1811 erhält er von den Besatzern den Auftrag, für die Kölner Straßennamen französische Bezeichnungen zu finden. Wallraf nutzt die Gelegenheit, die 40 000-Einwohnerstadt geografisch neu zu strukturieren, ungenaue Bezeichnungen und ihm „unschicklich“erscheinende Straßennamen zu tilgen. Beispiel: Aus der „Schmierengasse“wird die bis heute gebliebene „Komödienstraße“. Dazu sind in der Ausstellung, Originalsteine mit Straßennamen zu sehen.
Wallraf habe sein Leben der Aufgabe gewidmet, kölnisches Erbe in bewegten Zeiten zu bewahren, lobt Museumsdirektor Dekiert. Damit sei er zum Vorbild vieler Bürger nach ihm geworden. Für Gudrun Gersmann, Professorin für Neuere Geschichte an der Uni Köln, ist Wallraf „Bindeglied für universitäres Wissen in die Stadt hinein“. So wurde bereits 2015 an ihrem Lehrstuhl das Projekt „Wallraf Digital“entwickelt, aus dem zur Ausstellung eine kostenlose App entstanden ist. In einem Museumsraum haben Besucher die Möglichkeit, sich durch einen Film sowie an Tablets über Wallrafs Leben und Wirken zu informieren.
So birgt die Ausstellung, die insgesamt rund 240 Objekte vereint, zahlreiche ungewöhnliche Geschichten. Dem Besucher werden damit nicht nur eine Fülle sehenswerter Kunstwerke und Objekte aus vielen Zeiten, Gattungen und Fachrichtungen geboten, sondern er lernt auch eine einzigartige Sammlerpersönlichkeit kennen.
Die Ausstellung „Wallrafs Erbe – Ein Bürger rettet Köln“ist noch bis 8. Juli im Wallraf-RichartzMuseum & Fondation Corboud in Köln zu sehen. Geöffnet täglich außer montags von 10.00 bis 18.00 Uhr, am 1. und 3. Donnerstag im Monat bis 22.00 Uhr, Eintritt 9 Euro, ermäßigt 5,50, Schüler 2 Euro. Den Katalog „Wallrafs Erbe“(258 Seiten, 22 Euro) gibt es auch online. Internet: www.wallraf.museum.de